Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

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Done #30
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Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von Done #30 »

So mancher erinnert sich an meinen Reisebericht "Drei Tage im Juli 2015".
Kurz zusammengefasst gings dabei um eine Drei-Tagestour vom Freitag morgen 17.7. bis Sonntag 19.7.2015 spätabend mit insgesamt ca 1250 km Wullenstetten - Düsseldorf - Wullenstetten und ein paar Kilometers vor Ort.

Ich hatte Sonntag nacht noch das Öl abgelassen und mich dann hingelegt.
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Nach bester Nachtruhe (im eigenen Bett schläft sichs doch am besten) am nächsten Montagmorgen gleich mal Öl auffüllen und aufgrund der weiterhin herrschenden Hitze einen weiteren Getränkehalter ins Beinschild montiert. Denn es sollte noch am selben Tag gleich weitergehen.
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Getränke- und Speisenversorgung für den Piloten war gesichert. Zwei Liter im Schnellzugriff, sowie weitere alkoholfreie Getränke samt diverser Brausetabletten in der Durchstiegstasche und den Seitenkoffern sollten einen erfolgreichen Eisenarsch möglich machen. Mein bis dato noch weitgehend geheim gehaltenes Ziel lag knapp per Landstraße just knapp 1000km entfernt und das sollte nach meinen bisherigen Erfahrungen innerhalb 24h machbar sein. Die grobe Route hatte ich auf Google-Maps recherchiert und auf mehreren Seiten ausgedruckt.
Es sollte sich noch rächen.
Dummerweise kam bei den Recherchen auch raus, dass im Zielland das Mitführen von Reservebehältern verboten sei. Mist, also blieb der 5l-Kanister, der bereits im Seitenkoffer verstaut war lieber zuhause.
Es sollte sich noch rächen.
Kein unnötiger Stress mit der Rennleitung, wenn man deren Sprache und Gepflogenheiten nicht kennt. Aber ich ging das Risiko ein und beließ einen 1l-Fuel-Friend im Helmfach. Ich traute mir zu, per Mimik ein belämmertes "Kann man ja mal vergessen" ausdrücken zu können. Naja zumindest belämmert zu gucken. Kann ja manchmal auch reichen.

Apropos Zielland. Die haben ja ne andere Währung! Also noch schnell zur örtlichen Bank. Einen Stapel gebügelte Fünf-Euro-Scheine mitzunehmen hat mir Pitt auch noch empfohlen.
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F.ck. Alles verriegelt und verrammelt. Ich fass es nicht: Mein Ulmer Arbeitgeber zeigt kein Entgegenkommen, aber meine bayerische Dorfbank macht den Laden dicht, dass die Mitarbeiter einen regionalen Stadtfeiertag im württembergischen Ulm besuchen können. ok, kein Kleingeld und auch kein ausländisches.
Es sollte sich noch rächen.

Über booking.com hab mir noch ein günstiges Quartier gesucht, das ich anderntags bis spätestens 20 Uhr angesteuert haben wollte. Prompt machte mein Nüvi mit der angegebenen Adresse Zicken:
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ok, dann eben zurück an den Rechner, die Koordinaten rausgesucht und eingegeben. Immern noch nix, selbes Ergebnis, "zu wenig Speicher".
- Ok kann ja passieren bei "Kürzeste Strecke" und "ohne Autobahnen"
- Dann umgestellt auf "schnellste Strecke", nix.
- Nächster Modus: "keine Ausschlüsse", nix
- Luftlinienmodus mit den Zielkoordinaten war die Lösung: Luftlinie 756km. ok, wenns anders nicht geht. Die grobe Richtung reicht, Straßen sollten ja vor Ort genügend rumliegen.
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Mit dem anderen Navi hab ich dann entsprechend kürzere Etappen, kürzeste Strecke ohne Autobahn, entsprechend der Tankreichweite eingestellt, der Rest sollte sich ergeben. Dachte ich.
Es sollte sich noch rächen.

Eigentlich wollte ich mich am Nachmittag noch etwas aufs Sofa legen um die anstehende Nachtfahrt quer durch die Alpen lockerer wegstecken zu können. Mit dem ganzen Geschisse war die Zeit jedoch zu knapp geworden, also kein weiterer Schlaf. Vorschlafen geht sowieso nicht. An entspannung war nicht zu denken. Also Anspannung nutzen und los.

Egal, es war Montag 20.7.2015 kurz nach 17 Uhr war ich startbereit.
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Um eine Rückfallebene für spontane Ruhebedürfnisse zu haben wurde noch ein Schlafsack und Isomatte in eine große Rolltasche gepackt und auf dem Soziusplatz verstaut. So hatte ich neben verbesserrtter Aerodynamik auch noch eine sehr bequeme Rückenlehne

Wegen Eisenarsch fürs Protokoll: Tachostand 29743,8km, beide Navis und Tracker genullt: 17:06 Uhr Leinen Los!
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Zuletzt geändert von Done #30 am Fr 6. Jan 2017, 15:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 2 Abfahrt und bis zu Grenze

Beitrag von Done #30 »

Vier Tage im Juli 2015 Teil 2 Abfahrt und bis zu Grenze

Verabschiedet mit aufmunternden Worten der Angetrauten "Du bisch id ganz bacha" war ich nun tatsächlich schon wieder unterwegs. Keine 18 Stunden nach der Rückkehr von der vorherigen Tour.

Ich hatte versucht mich auf die Tour mental vorzubereiten aber nun ratterte der Kopf: Vor mir lagen die Alpen, die Nacht und unbekannte Strecken. Ziel war ein Wasserturm den ich schon längst hatte mal sehen wollen und die Pfadfindertrophäe 2015 lieferte nur noch den letzten Grund endlich den A.... hochzubekommen

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Naochmal die Erklärung zur Pfadfindertrophäe am Beispiel der Wertungsgruppe 1 im Jahr 2015. Deren Thema war Wassertürme
Es handelt sich um eine Art Bildersuchfahrt, bei der im Großraum Europa innerhalb des Wertungszeitraums bestimmte Ziele angesteuert werden müssen.
Gewertet wird bei jedem einzelnen angefahrenen Objekt die Luftlinie zwischen Start- und Zielort, unabhängig von der tatsächlich gefahrenen Strecke.
Pro angefangene 50 km Luftlinie gibt es 1 Wertungspunkt, also 1-50 km =1 Punkt, 51-100 km = 2 Punkte usw.
Liegt der Zielort gegenüber dem Startort im Ausland, dann gilt: je angefangene 50 km Luftlinie gibt es 1.5 Punkte.
Wertungsgruppensieger ist der Teilnehmer mit der höchsten Punktzahl seiner WG.
Als Nachweis für das Aufsuchen der Zielorte sind Fotos einzusenden. Auf diesen Fotos müssen erkennbar sein:
- Der Fahrer
- Sein Fahrzeug mit lesbarem Kennzeichen
- Die Ortstafel oder ein Ersatzobjekt, das den Ortsnamen zeigt
- Die Startnummer, die dem Teilnehmer mit der Nennbestätigung mitgeteilt wird.

Erfunden hat die Pfadfindertrophäe, ca. Mitte des letzten Jahrhunderts, ein damals ziemlich bekannter Journalist namens Klacks, mit bürgerlichem Namen Ernst Leverkus.

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Bis zum ersten Rast nach einem Tankstop im oberbayerischen Weilheim hatte ich erst 127km gefahren und trotz nur einem kurzen Fotostop schon fast zweieinhalb Stunden gebraucht.
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Egal, frühzeitige und ausreichende Nahrungsaufnahme und regelmäßige Pausen sind wichtig um aufmerksam und fit zu bleiben. Der erste Liter war schon weg.

Ja, aufmerksam war ich, vieleicht zu aufmerksam.
Es sollte sich noch rächen
Denn ursprünglich wollte ich über Bad Tölz zum Achenpass, aber mir fiel kurz vor Benediktbeuren ein, dass die Kesselbergstraße mit einem Wochenendfahrverbot für Motorräder belegt ist. Haben wir Wochenende oder Feiertag? Nö, Ulm mit seinem Schwörmontag ist weit weg. Also Gelegenheit nützen, rechts ab, am Kochelsee vorbei und hoch.
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Das Motiv muss man mitnehmen: Abend überm Walchensee
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ein paar Meter weiter, ein weiteres Fotomotiv: Bulli Herbigs Filmkulisse, das Wikingerdorf
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wieder ein paar Meter, nächster Stop: Der Sonnenuntergang brachte das Karwendelmassiv schön zur Geltung:
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Dann bei Wallgau wieder die touristenverseuchte Strecke verlassen und entlang der Isar nach Vorderriss
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Eigentlich mautpflichtig, aber niemand wollte was. So war ich zügig und günstig am Sylvensteinspeicher angekommen und konnte auf der Brücke noch ein paar Sonnenstrahlen einfangen.
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im letzten Licht gings über die ehemalige Grenzkontrollstelle Achenpass nach Österreich
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und am Achensee wars dann schon rum mit der Freihandfotografiererei und ich sollte so langsam wieder Tanken
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Kurzer Blick auf die bisherige Strecke:
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Zuletzt geändert von Done #30 am Do 5. Jan 2017, 12:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 3 ganz schön dunkel dieses Österreich

Beitrag von Done #30 »

Am Achenpass begann der letzte Balken der Tankanzeige zu blinken. Im Normalmodus sind das noch ca 40km. Kurz überschlagen: Ins Zillertal sollte ich locker kommen, aber der Gerlospass ist die nächste größere Zwischenetappe. Da sollte ich vorher noch tanken. Also nach Jenbach die Augen offen halten. Es kam aber keine Tanke.
In Uderns zunächst noch ein kurzer Fotostop am Hotel Pachmair, in dem wir als Achtklässler unser Skilager verbrachten. Keine Details jetzt, bitte.
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Was ich dabei übersah: Es war schon nach 22 Uhr.
Es sollte sich rächen.
Bis zur Abzweigung zum Gelos kam tatsächlich keine Tankstelle, die noch offen war. Mist. Das hat man von der Trödelei. Also weiter an der Abzweigung vorbei im Tal hinein bis Maierhöfen und getankt.
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275 km in knapp über 5 h gefahren, noch 587 km Luftlinie vor mir, ok, Eisenarsch schaut immer noch gut aus. Flott gings weiter, bei Dunkelheit und aufziehenden Wolken den Pass hoch.
Man konnte anhand der einbrechendenDrehzahlen ganz grob abschätzen, wie steil die Straße momentan war, aber ansonsten gab es kaum Anhaltspunkte. Letzer Blick ins Zillertal:
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Von der Gegend war kaum was zu sehen, zu Fotografieren gabs somit auch nichts, lediglich der LED-Scheinwerfer zerteilte ein paar Nebelfetzen.
Erst in Mittersil im Oberpinzgau gabs in einem Kreisverkehr was Fotografierenswertes. Obwohl, eigentlich nicht. Aber urteilt selbst:
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Interessantweise gehen die meisten Diskussionen um dieses "Kunstwerk" nicht darum, was ich mit meiner kranken Phantasie darin zuerst sah, sondern, ob es ein Plagiat sein könnte.

ok, keine Diskussion gibts über den bisherigen Tourverlauf, den mein Tracker brav dokumentierte: Abgesehen von dem Haken im Zillertal war ich wieder im Plan.
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ja, der Plan.
Wenn schon Österreich, wenn schon Alpenüberquerung, dann nimmt der Schwabe mit, was mitzunehmen scheint. Nächstes Ziel auf der Landkarte Großglockneehochalpenstraße. Der bisherige Fahrtverlauf liess erhoffen, dass oben evtl die Wolkendecke aufreißen könnte. Bei der Uttendorf begann es leicht zu nieseln, gerade so, dass es lästig war. Ich war schon ganz aufgeregt, also schnell Regenklamotten drüber und flott weiter entlang der Salzach. Bei Bruck runter von der langweiligen B311 und rechts ab, der Beschilderung folgend.
Mein Navi hatte aber eine andere Idee. Nach ein paar Metern wars auch mir klar warum: NACHTSPERRE :stirn:
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meine Neigung zu Anglizismen schlug voll durch: Geschlechtsverkehr, Geschlechtsverkehr, Geschlechtsverkehr.
ok, hilft nichts, ich musste grob nach Südosten.

Es war inzwischen Dienstag 21.7.2015 0:45 Uhr
Mein Kartenmaterial , ebenso mein Erinnerungsvermögen, also das entlang der geplanten Route, war höchst dürftig, weitab der geplanten Route nicht vorhanden. Meine Navis wollten mich per Autobahn über Wien fahren lassen, also eine ganz andere Strecke. (Später wurde mir klar warum) Autobahn kommt gar nicht in Frage.

Wildes Rumzoomen im Navi ergab: Es gibt weiter östlich noch einige Straßen, die nach Süden abzweigen. Muss mich da entlanghangeln, wird schon was kommen. Also los.
- Taxenbach: Fehlanzeige, das Raurisertal, so schön es ist, ist eine Sackgasse.
- vom Gasteinertal wusste ich es, also weiter
- das Großarltal kam nach kurzer Recherche auch nicht für einen Alpenübergang in Frage. Zumindest nicht mit Moped.
- das Kleinarltal schon zweimal nicht, wusste ich aber zu dem Zeitpunkt nicht.
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In meiner Verzweiflung hatte ich irgendwann Villach als Zwischenziel eingegeben und prompt gab es auf einmal einen Lichtbilck.
- Das nächste Tal, durchs Flachautal führt tatsächlich eien Straße nach Süden.

Bis Flauchauwinkl wurde die Straße immer enger und es sah nicht nach viel Durchgangsverkehr aus. Irgendwann gabs nur noch ein Schild. Auf die Autobahn. Verdammt, was soll das?
Nach ein paar weiteren Anglizismen war mir klar: ich war an der letztmöglichen nördlichen Auffahrt zur Tauernautobahn. :stirn: :motzen: :stirn: :motzen:
- Maut zahlen für österreichische Autobahnen mit einer 125er CUB? :down2: Nie im Leben!
- Sondermaut zahlen für einen Tunnel? :down2: Nichtmal im nächsten im Leben!
Also umgedreht, wieder das Tal runter, nächster Versuch weiter östlich. Nichts wie los, genug zweit verplempert.
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Tanken sollte auch mal wieder in Erwägung gezogen werden, aber schieben so weit es geht. Selbst mit dem Fuelfriend könnte es knapp werden bis übern Pass, welchem auch immer.
Ich wusste nicht wie lange die Anzeige bereits blinkte.

Die bisherige Route bis Untertauern. Man sieht den unnötigen Stich nach Süden.
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Done #30
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 4 Nervenkitzel

Beitrag von Done #30 »

Mit der Tankanzeige hatte ich echt nicht aufgepasst, zu sehr forderten die Straßen bei Dunkelheit meine Konzentration.
Bei Untertauern, also noch an der Nordseite des Radstädter Tauernpasses spuckte der Motor, starb ab, schnell Fuß auf die Schaltwippe und ausgekuppelt und ich konnte so die Maschine noch in eine Hofeinfahrt rollen lassen.
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Ok, ganz ruhig, durchatmen, ok, erster Liegenbleiber. Es ist Dienstag 21.7.2015 kurz nach drei Uhr morgens am Fuße einer Passtraße, was solls?
Bei Taschenlampenlicht den 1l-Fuelfried rausgekramt und mit Erschrecken festgestellt: Das Ding dünstet ganz schön aus. Von dem vor ein paar Wochen aufgefülltem ganzen Liter war nur noch geschätzt ein Dreiviertelliter übriggeblieben. Mein Vorrat an Anglizismen wurde schwer belastet.

Hilft nichts: Kurz rechnen:
2l/100km bei behutsamer Fahrt in der Ebene bedeutet 50km mit einem Liter, mit einem Dreiviertelliter also maximal 37km.
Was ich nicht wusste, aber ahnte:
- Vor mir liegt eine 21km lange Passauffahrt mit 4,2 %, und 880 Höhenmetern. Auf der Südseite gings 17km runter mit 3,6 % und 615 m. Höhendifferenz also um die 250m.
Auch ohne Kenntnis der genauen Daten, ging ich von einer maximalen Restreichweite von knapp unter 30km aus, OHNE RESERVE!

Navi befragen nach nächster Tankmöglichkeit entlang der Strecke. Ergebnis: Mauterndorf, da sollte es wohl am Ortseingang eine Aral-Tankstelle geben. Ob die um die Zeit offen hat steht in den Sternen.
Strecke bis dahin 31km. Mir blieb das Gesicht stehen.


Kommt nicht oft vor


An Ort und Stelle stehen bleiben, mit Schlafsack und Isomatte in die Wiese und bei Tageslicht auf Hilfe hoffen?
Nö, nicht, solange noch ein Tropfen Sprit vorhanden ist.

Alle unnötigen Verbraucher aus, Sehrohrtiefe, Schleichfahrt, Herr Kaleu!

Die nächsten 40 Minuten waren die längsten meines Lebens:
Wo es ging den Motor mit niedrichstmöglichen Drehzahlen im höchsten Gang halten. Gar nicht so einfach, wenn es, wei nachtröglich festgestellt 21km mit 4,2 %, 880 Höhenmeter zu überwinden gilt. Manchmal erforderte die Strecke mittlere Drehzahlen im Zweiten Gang. Jeder Tropfen Benzin fühlte sich an, wie einzeln aus der Brust gequetscht. Bei jeder gefühlten Senke, sehen oder gar vorausahnen konnte ich die Topografie in mondloser bewölkter Nacht ja nicht, hochgesteppt in den letzten Gang, ausgekuppelt, Motor aus und Moped segeln lassen. Bei 40kmh wieder Kupplung kommen lassen, Motor springt an, langsam wieder aufziehen.
Mir kam auf der ganzen Strecke hoch zur Passhöhe nur ein einziges Auto entgegen, ansonsten war ich allein. In meine Richtung fuhr offenbar nichts. Nur der erbärmliche Scheinwerferkegel der Innova vor mir, drumrum alles dunkel. Kam mir vor wie Schrödingers Katze.
Auf der Passhöhe alles wie verlassen, keine Tanke, nichts, also ohne anzuhalten weiter gesegelt. Bei der Passabfahrt versuche ich alle Gedanken zu verdrängen, was über mögliche Schäden an der Kupplung im Forum diskutiert wurde, wenn man lange Zeit segelt. Nicht dran denken, nicht jetzt, nicht hier, einfach weiter.

Vorbei an einigen kleineren Gehöften zähle ich am Navi die nur langsam abnehmende Reststrecke mit. Mauterndorf kommt in Sicht, zunächst rechts eine Burg, dann die Abfahrt ins Dorf. Alles dunkel, da müsste doch die Tanke sein. Im fahlen Licht der Straßenlampe erahne ich links ein paar Zapfsäulen. Dunkel, nichts, kein Automat. Mist, Mist, Doppelmist.

Ich will mich erstmal gegenüber bei einem Cafe hinsetzen. Dazu kurz Gasgegeben um mit dem Moped die Straße zu überqueren. Dabei stirbt der Motor ab. :shock: Das wars?

Kurz vor 4 Uhr morgens: willkommen im Lungau :stirn:

ok, wenigstens nicht mitten im Wald liegengeblieben
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 5 am Arsch der Welt?

Beitrag von Done #30 »

ok, Mauterndorf. Kam mir irgendwie bekannt vor. Hatte ich schon mal gehört, kam aber nicht drauf in welchem Zusammenhang. Wasserturm wars nicht. Egal, könnte schlimmer sein.

Wie ich da so sitze wieder die Überlegung:
An Ort und Stelle stehen bleiben, mit Schlafsack und Isomatte in die Wiese und bei Tageslicht auf Hilfe hoffen?
Ok, Wiese hats im Ort nicht, aber evtl eine Bushaltestelle, wo man sich hinlegen könnte bis die Tanke vielleicht wieder öffnet. Hier ists nicht gemütlich auf der Einfallstraße. Also kurz die Beine vertreten und sich umgeschaut. Aber hoppla. Am anderen Ortsende schimmert ein gelbes Licht, offenbar eine Leuchtreklame. Da hat vielleicht was offen? Ein Schnellimbiss, eine Kneipe?
Egal. Helm untern Arm, Moped vom Ständer, oh, sie springt nochmal an. Bis in den dritten Gang komm ich, dann geht gar nichts mehr und ich lasse ausrollen. Aber das reicht um die Leuchtreklame als die einer Agip-Tankstelle zu identifizieren. Sowas verleiht Flügel! Die ca 150m bis dahin kam mir die Inno richtig leicht vor.
Glücklich stell ich die Maschine an der Zapfsäule ab
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Kein Balken mehr:
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Die Anzeige nebendran erinnerte mich an Pitts Warnung: Immer ein Stapel gebügelte fünf Euroscheine mitführen!
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Aber ich erinnerte mich auch sofort dran, dass eben genau das ja am Vortag nicht klappte. :stirn:
Kurzer Blick: Mein kleinster ist ein 20€ Geldschein :stirn:
Egal, ich hab ja noch eine Scheckkarte. Sitzbank abgerödelt, fertigmachen zum tanken:
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Ich war ganz freudig aufgeregt und die Anspannung fiel von mir ab. So sehr, dass ich erstmal zum Pinkeln hinter die Hecke musste :laugh2:
Dermaßen erleichtert kehre ich ans Moped zurück, mach die Sitzbank auf, nehme den Tankdeckel ab, als ich neben mir ein leises "Klick" höre.

Ganz leise und fast nicht wahrnehmbar.

Hatte da gerade ein mir böser gestimmter Mensch eine Waffe gespannt?

Ich schaue mich vorsichtig um.

Und ich hatte nur das Schlimmste vermutet: :wein:

Der Kartenautomaten hatte seine Displayanzeige verändert :shock:
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Es gibt Dinge, die können echt nur mir passieren. Der Pauli-Effekt hat ausgedient. Er wird bald meinen Namen tragen :laugh2:

Was tun? 20€ für eine Tankfüllung einer Innova? Niemals! Da reißt einem Schwaben das Herz raus.

ok, alles klar, das wars. Eisenarsch ade?

Schlafsack war schon abgerödelt,
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nebenan die Wiese war, abgesehen von einer Stelle ;-) , trocken.
Aber ohne was im Magen im freien übernachten ist nicht gut, da friert man zu leicht.
Also erstmal ein solides Nachtmahl. Ich hatte ja plötzlich viel Zeit, Landjäger, Brot, Tomate. Was will man mehr, morgens kurz nach vier im Lungau?
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 6 dem Morgen graut

Beitrag von Done #30 »

So, in Gedanken hatte ich mit einem erfolgreichen Eisenarschversuch abgeschlossen. :cry:

Das Vesper tat mir gut. Die getroffene Entscheidung zum Abbruch vollumfänglich als richtig akzeptiert. Ich war irgendwie aufgedreht und entspannt gleichzeitig. Ein Bier wäre nun recht gewesen um die notwendige Bettschwere zu bekommen um noch ein paar Minuten Schlaf mitzunehmen.
Inzwischen war mir auch eingefallen, woher mir Mauterndorf ein Begriff war: Gegenüber der Tanke war der Endbahnhof der Taurachbahn
Entspannt? Ja klar, da meldet sich natürlich wieder die Blase. Also nochmal die vorher markierte Stelle aufgesucht und dann zurück ans Moped. Auch wenn ich morgens beim Tanken gerne der Erste sein wollte, vor der Zapfsäule kann die Maschine solange nicht stehen bleiben. Runter vom Ständer und ...... "klick" .................
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.
.
.
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"klick"?
.
.
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"klick"!
.
.
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ganz vorsichtig ein Blick aufs Display des Kartenlesers riskiert: "Herzlich willkommen bei AVIA Österreich, bitte führen sie ihre Karte ein"

:superfreu: :up2: :aetsch: :up2: :superfreu: dadummtssss
Ich glaub die haben einen Feuchtesensor in der Wiese ;-)

und plötzlich gings ganz schnell:
Fuelfriend und Tank waren gleich gefüllt, alles aufgerödelt, an Nachtruhe war nicht zu denken und weiter gings.
Herr Kaleu: Volldampf voraus! Nach Luftlinienmodus grob Kurs ostsüdost , keine Details.

bei Kendlbruck waren die ersten Sonnenstrahlen zu erahnen:
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weiter, keine Zeit verlieren, der Eisenarsch ist noch drin. Also knipsen während der Fahrt: Man merkt jede Minute der Morgendämmerung.
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Aber irgendwann muss das Schauspiel doch dokumentiert werden.
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der Verkehr nahm merklich zu auf der Bundesstraße. Noch nicht allzuviel, aber alle hatten es um die Zeit verdammt eilig
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Dermaßen frei Schnauze der Topographie folgend ergab sich eine im nachhinein seltsam anmutende Route:
Der Schlenker rechts oben war einer verpassten Abfahrt geschuldet. Ansonsten konnte gut Strecke gemacht werden
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Die Steiermark war zügig durch,
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Kärnten war als nächstes dran. Hier bei Dürnstein
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Irgendwann sollt ich mal wieder nach einer sinnvollen Route suchen. Meine Navis geben zwischendurch immer wieder sehr unplausible Infos von sich. Also nochmal die Karten bemüht
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Ernüchterung: Ich war erst auf der zweiten von fünf!
Aber meine Navis wollen nicht so wirklich. Ich fahre nach Luftlinie in die richtige Richtung trotzdem wird die Reststrecke im Standardmodus immer mehr? Was soll das? Der Speicher müsste doch reichen? Egal. neues Ziel: Zagreb und weiter frei Schnauze nach Luftlinie dorthin
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Irgenwann komme ich in Klagenfurt an. Scheint groß zu sein, hab ich schon mal gehört, einen Wasserrturm solls da auch geben, warum nicht?
Also erstmal Tanken in einem Vorort. Da treffe ich einen älteren Herrn mit einer sehr schön erhaltenen Yamaha GTS 1000. Wir kommen ins Gespräch. Das sei seinen zweite und er fahre gerade eine evtl. dritte anschauen. Grad nett wars. Sein Tip war über Ljubljana durch Slowenien richtung Zagreb zu fahren.
Den Wassertum finde ich nicht, weil mir die Daten fehlen und Zeit zum suchen hab ich grad schon wieder genug verloren. Egal. Der Eisenarsch ging mir auch langsam an selbigem vorbei. Wenn ich mich mitnetten Leuten gut unterhalten kann, dann ist das wichtiger.

Sein Tip war klasse, der Loiblpass ist ein Zungenschnalzer in Nord-Südrichtung:
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Die Passabfahrt hab ich nicht mit Fotos dokumentiert. Da musste ich einer Harley und ne Kawasaki KLR zeigen was Ralf/NORTONS Moped für Gene hat. Letzterer hatte mich oben im Tunnel auf dem Hinterrad überholt. Aber in den Kurven schlingerte er mit den Stollenreifen fast mehr als sein Kumpel mit dem Eisensofa. Erst als es unten eben und gerade wurde kamen kurz die Mittelfinger der zwei Helden hoch und weg waren sie.

Slowenien hat was, zumindest die Gegend durch die ich fuhr
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Ach ja, ein hübscher weithin sichtbarer Wasserturm in Kranj gab ordentlich Punkte:
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Flughafen Ljubljana
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Hab ich schon die schöne Landschaft erwähnt?
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Hab mich dann an einer Pause nochmal mit meinem Navi beschäftigt, was es mir an kürzestmöglicher Strecke vorschlägt: noch 580km und 10h!
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Da wurde mir erst klar: das Ding hat kein Speicherproblem, es ist ein Kartenproblem:
Es kennt von Slowenien und Kroatien nur die großen Autobahnen und dazwischen nichts!

Also improvisieren. Mal was ganz anderes ;-)
Zuletzt geändert von Done #30 am Do 5. Jan 2017, 17:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 7 Gegend, nix als Gegend

Beitrag von Done #30 »

Also wurde improvisiert. Kein Problem. Man kann in so einer Gegend nichts falsch machen.
Ein paar Impressionen dieser wunderschönen Landschaft entlang der Sava

noch vor Ljubljana eine nette Dampflok bei Zagorje
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Wenn ich endlich meine Modelleisenbahn baue, dann muss die Landschaft so aussehen: Hrastnik an der Sava:
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Nebenstrecke entlang der Bahnlinie:
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und dann kommt bei Sudahol auch ein endlos langer, aber unbeladener Güterzug
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wuchtige Lok:
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Hab ich schon die Landschaft erwähnt?
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Es hört nicht auf:
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Schloss Sevnica an der Sava:
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Als es dann etwas flacher wurde, wurde es auch wieder heiß und ich brauchte wieder mal ne Pause im Schatten:
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Noch was:
Wer die google-maps-Karten schon mal ausdruckte, dem fiel vielelicht nicht auf dem ersten Blick, aber sobald man damit arbeiten wollte was auf.

Die Ortsnamen.

Stimmen die nicht? Doch, schon.
Aber nach Lust und Laune, je nach Maßstab, Darstellungsformat und anderen mir nicht nachvollziehbareen Kriterien werden einzelne Namen angezeigt, manche bleiben verborgen.

Zum Navigieren, bzw zum manuellen übertragen einer am Bildschirm gefundenen Route nimmt man zunächst mal die angebotenen Ortsnamen. Dann stellt man fest, dass nicht Orte an Straßenkreuzungen benannt sind, sondern vollig unwichtige Ortschaften grob in der Nähe. Das führt dann dazu, dass, wenn man das nicht vorher weiß, man wegen einem solchen Zwischenziel eine Hauptstrecke verlässt umd kurz darauf an der selben Stelle wieder darauf zurückzukehren.

Das machte die Sache auch ohne Navi im Straßenverkehr nicht einfacher. denn diese u.U. völlig unbedeutendene Orte sind natürlich nicht überortlich angeschrieben.

Egal, nachträglich gesehen war ich mit dem Luftliniemmodus gar nicht so schelcht bedient, denn es ging nördlich an Ljubljana vorbei nach Osten
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Richtung Zagreb:
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Zuletzt geändert von Done #30 am Fr 6. Jan 2017, 02:28, insgesamt 2-mal geändert.
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Vier Tage im Juli 2015 Teil 8 fürn Arsch

Beitrag von Done #30 »

Noch in Slowenien wurde noch getankt. Man muss jeden Kilometer ausnützen wenn man nur Euro dabei hat. Die letzte Tankstelle vor der Grenze zu finden war etwa kitzlig, denn, wir wissen es inzwischen: Mein Navi kennt weder Slovenien, noch Kroatien. Hat aber gut geklappt. Zumindest das Tanken. Die Routenführung ab der Grenze nach Zagreb war völlig planlos. Im Nachheinein würde ich sage, dass es bei Großen Städten am besten ist, am Navi den Modus "schnellste Strecke und ohne Ausschlüsse", also alle Straßen erlaubt, einzugeben. Dann kommt man am schnellsten durch. Vorortverkehr kostet enorm viel Zeit, der Schnitt sackt völlig durch und man weiß doch nicht wirklich wo man ist, geschweige denn ob man überhaupt vorwärts gekommen ist.

Aber trotzdem haben diese Vororte Ihren Reiz
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nebenbei kann man noch einige Big-Points für die Pfadfindertrophäe mitnehmen:
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Irgendwann war auch der Moloch Zagreb (wir hatten stets über 30 Grad im Schatten) hinter mir, die Landschaft wurde flach und ländlich.
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Aber ich hatte viel Zeit verloren und wusste nicht wirklich, wo ich war und wie es weitergeht.
Inzwischen schaute ich nur noch gelegentlich aufs Navi, ob ich noch in der richtien Richtung untewegs war, ansonsten lies ich es rollen. Gefühlt befand ich mich nach Zagreb etwas zu weit südlich, aber das war zu dem Zeitpunkt noch kein wirkliches Problem, solange ich gelegentlich eine Hinweistafel auf eine Ortschaft fand, die auch auf meine Landkartenausdrucken drauf war. Also weiter rollen lassen und kein Problem draus machen.

Ca 20km vor Sisak passierte mir ein selten dämliches Missgeschick. Die fünf Blätter mit der Route hatte ich auf der Durchstiegstasche eingeklemmt und inmitten einer Fahrzeugkolonne bei ca 80km/h flogen mir diese davon. meine einzigen Infos, auf die ich noch halbwegs zuverlässig zurückgreifen konnte! Anglizismen waren schon lange aus, also raus aus der Kolonne, Moped abstellen und zu Fuß hoffen, dass ich noch irgendeinen Zettel wieder finde.
Jacke runter, Helm runter und zu Fuß ca 300m zurückgehetzt bis ich die ersten beiden Zettel aus einer Böschung bergen konnte. Ich hatte gerade zwei weitere erspäht, als ein Motorradfahrer neben mir hält und irgendwas unverständliches zu mir rüberruft. Eher ein wandelndes Rockerklischee mit Kutte, Fransenhose, vielen Patches. Trotz des etwas Angst einflößenden Äußeren schien er besorgt und nach ein paar Gesten und Sätzen konnten wir uns auf gebrochenstem Englisch halbwegs verständigen. Meine Anliegen waren grob "maps lost, only euro, about 400km to go, no croatian currency for fuel" Wir fanden tatsächlich alle fünf Landkartenteile und nach einem Blick darauf war die Antwort ebenso schlicht wie überwältigend: "Come with me, you get a good currency exchange, stay with my friends in our club home, eat, drink, sleep, tomorrow is another day to drive 400km."
Es tat mir im Herzen weh, diese Hilfsbereitschaft auschlagen zu müssen, und es kostete mich viel Überzeugungskraft, denn ich hatte ja bereits mein Zimmer gebucht und am Zielort nur einen Tag Aufenthalt eingeplant. Nicht abbringen lies sich jedoch mein neuer Freund davon, dass er mir einen guten Wechselkurs und Sprit verschaffen durfte. Er fuhr dann, obwohl er gerade aus der Richtung kam die ca 20km bis kurz vor Sisak zurück an eine Tankstelle, wo er vom Besitzer hinter der Kasse und ein paar weiteren Gestalten überschwänglich begrüßt wurde. Nach zwei weiteren, für mich unverständlichen Sätzen fielen diese Leute plötzlich ebenso überschwänglich über mich her und das obige Angebot wurde vehement und vielstimmig wiederholt angebracht. Also nochmal Überzeugungsarbeit mit Händen und Füßen: "Jungs, nett von euch, aber ich sollte bald weiter."
Ich bekam für ca 80€ einen, wie ich erst Zuhause feststellen konnte, sehr ordentlichen Kurs, tankte das Moped voll und musste mich beim Versuch den Sprit zu bezahlen einiger hochprozentiger Getränkeangebote erwehren.
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Wir einigten uns nach längerer herzlicher Diskussion letztendlich drauf, dass ich ob der Hitze und er vor mir liegenden Strecke zumindest ein Eis zu mir nehmen sollte. War lecker und genau das richtige, aber an einen erfolgreichen Eisenarsch war ab dem Moment nicht mehr zu denken. Egal, ich sollte mich sputen, überhaupt noch an die gebuchte Unterkunft zu kommen.
Um Sisak rum war es sehr heiß und trocken, die Odra kaum mehr als ein trauriges Rinnsal
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Aber als Beifang wieder ein typischer Wasserturm für ein kleines Industriegebiet
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Ich wusste es zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber diese Stecknadeln sollten sich für mich in den folgend zwei Tagen zur Landplage entwickeln.

Was ich aber kurz darauf um 17:10 Uhr definitiv wusste: Ich war exakt 24 Stunden unterwegs
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und hatte nach Navi gerade mal 957km geschafft.
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Eisenarsch hat wieder mal nicht geklappt. :stirn:
aber was mir damals durch den Kopf ging und ich wenn ich mir den Bericht so anschaue immer noch bestätigen kann: Es wäre möglich gewesen, aber Scheiß drauf, das war es wert ;-)

Sollte ich es bis dahin jemals als Druck empfunden haben, so war auch dieser völlig verflogen und ich gönnte mir in einer beschaulichen Ortschaft namens Voloder erstmal eine gemütliche Pause. Ein örtlicher Händler hatte prima Dauerwurst, frisches Brot und Obst.
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die letzten Kilometer bis zum Scheitern des Eisenarsches schauen doch auch icht schlecht aus. Hätte schlimmer kommen können
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Also lockeres Weiterrollen, ganz entspannt und easy. An einer Hofeinfahrt verblüffte mich ein ehemaliges Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Schwaigern bei Heilbronn. Leider keine Zeit um Details auszukundschaften
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Um 18:05 Uhr hatte ich nach Navi exakt meine 1000km Landstraße geschafft. Also den Eisenarsch nur eine Stunde verpasst. Ziehen wir das exzessive Rumknipsen und die Ratscherei ab, hätte es locker gereicht.
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Noch 151 km Luftline lagen vor mir, geschätzte Ankunftszeit 21:29 Uhr ohne Pausen. Diese Vorhersage konnte schon aufgrund der Reichweite und den beiden noch notwendigen Tankstops nicht klappen. Eintreffen an der Unterkunft war eigentlich vor 20 Uhr geplant. Telefonisch den Zimmerwirt verständigt, dass es mindestens 22 Uhr wird: "No Problem, drive savely"
Zuletzt geändert von Done #30 am Sa 7. Jan 2017, 01:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Done #30
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Re: Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von Done #30 »

So langsam mehrten sich auch die sichtbaren Anzeichen und Relikte des inzwischen über 20 Jahre zurückliegenden Kroatienkrieges. Überall und immer wieder zerschossene Ruinen.
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Wie tief die Wunden des Krieges beim weiten Teilen der Bevölkerung noch sitzen wird einem alle paar Meter bewusst gemacht. Hier an der Eisenbahnbrücke in Pakrac. Werni kennt die Stelle ;-)
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Eine weitere beklemmende Stelle in Pakrac. Der ehemals serbische Supermarkt inmitten der Stadt. Aus dem teilweise gesprengten Gebäude wachsen inzwischen große Bäume.
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Die Strecke aus Pakrac raus in östlicher Richtung wurde wieder, nennen wir es "lieblicher".
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Man fühlte sich fast wie in heimischen Mittelgebirgen. Wenn nicht, ja wenn nicht ständig diese Ruinen, Denkmäler und Hinweise auf Minenfelder wären.
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Zerschossene Kirche bei Slobostina. Wann und weshalb die Zerstörung stattfand, konnte ich nicht rausfinden.
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Was für eine schöne Gegend, aber absolut nicht einladend, wenn es drum ginge notfallmäßg seinen Schlafsack dort am Straßenrand ausrollen zu müssen. also weiter
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Schon wieder ein Sonnenuntergang diesmal bei Bjelievac
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Mist, ich sollte mich beeilen. Im Tiefflug wurde Dakovo erreicht, wo hinter mir offenbar gerade ein größeres Stadtfest stattfand. Oder war die Fußgängezone tatsächlich immeer so überlaufen?
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Weiter im Tiefflug durch Vinkovci an meinen Zielort Vukovar
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Durch die Nacht sah man schon von weitem mein Objekt der Begierde.
Andächtig näherte ich mich an und machte tiefbewegt ein erstes Foto.

Was für ein Ding! Hat es sich nicht gelohnt?
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Ok,fast vergessen, Quartiersuche. Wo verdammt nochmal war die Unterkunft? Es war 22:30 Uhr, also deutlich zu spät. Meine Koordinaten waren etwas ungenau, so dass ich mich, ohne es in dem Moment zu wissen, just in einer Parallelstraße befand, als der besorgte Zimmerwirt auf dem Handy anrief. Umständlich beschrieb ich ihm meinen Standort, er schien verstanden zu haben und legte auf. Im selben Moment ein Anruf von zuhause: "Wo bist du? Du wolltest doch um fünf angekommen sein." "Ne, fünf war Limit fürn Eisenarsch, aber ich bin noch auf Quartiersuche."
Plötzlich kam ein Kleinwagen um die Ecke und eine sehr schlanke Frau in kurzem Rock und Badeschlappen entgegen. Sie unterhielt sich kurz mit dem Fahrer, der deutete auf mich und fuhr weiter. Die Dame deutete mir ich solle ihr folgen. Sie rannte dann in Badeschlappen ca 400m vor der Straße folgend mir her und deutete mir, das Moped in eine extra freigeräumte Garage zu stellen.
Es stellte sich heraus, dass sie die Receptionsdame der Unterkunft war, eigentlich um 20 Uhr Feierabend gehabt hätte und von Ihrem Chef beordert wurde auf mich zu warten und mich letztendlich abzuholen.
Wir erledigten gleich die Anmeldeformalitäten, ich bezahlte vorab beide Nächte und gab ein den Umständen entsprechendes Trinkgeld.

Für Statistiker die Navidaten der Anfahrt:
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Strecke 1216,5km
Gesamtzeit: 29h 45 min
reine Fahrtzeit 22 h 44min
Pausen 7 h

Ja, Eisenarsch wäre möglich gewesen. Locker sogar. Aber da hätte ich auf einige der Begegnungen verzichten müssen.
Im Nachhinein wollte ich keine davon missen. Alles gut.
Zimmer bezogen, Dusche, noch kräftig getrunken bis ich endlich wieder pinkeln konnte (ja, ich hatte zum Schluss doch zuwenig getrunken) und dann fiel ich ins Bett.
Trotz der gewaltigen Impressionen schlief ich bald tief und fest

Done
Zuletzt geändert von Done #30 am Di 27. Jun 2017, 15:35, insgesamt 2-mal geändert.
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Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch Fazit der Anfahrt

Beitrag von Done #30 »

ok, das war nur mal die Anfahrt.
Den drauffolgenden Tag in Vukovar und drumrum muss ich mir nochmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen, bevor ich versuche das Erlebte in passende Worte zu fassen.
Ich glaub ich mach dann einen neuen Thread auf. In diesem Sinne, danke fürs Mitlesen und jetzt Feuer frei
Done

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Reisebericht Ulm - Vukovar - Wien- Ulm "Vier Tage im Juli 2015" 20.-24.07.2015
- Teil 1 erster Tag: Anfahrt mit Eisenarschversuch
- Teil 2 zweiter Tag: Stadt Vukovar "you did only see the visible things"
- Teil 3 dritter Tag: von Vukovar nach Wien
- Teil 4 vierter Tag: Wien - Ulm übern Erzberg und durchs Gesäuse

Dazu die komplette Bildergalerie "Vier Tage im Juli 2015"
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Zuletzt geändert von Done #30 am Do 12. Jan 2017, 00:52, insgesamt 2-mal geändert.
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Motorradverrückter
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Re: Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von Motorradverrückter »

ja hammer Sache! Danke dir fürs Hochladen :prost2: ich musste ständig Grinsen beim lesen, wenn man den Leuten mit denen man so im Alltag so zu tun hat z.B. erzählt wie ich meine Hisun überführt habe, wird man für verrückt erklärt und hier kommt so eine tolle Sache :up2: :up2: :up2: gerne mehr davon 8-)
Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie Verstand: jeder ist überzeugt, genügend davon zu besitzen.

bokus

Re: Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von bokus »

Warum zum Teufel,

... muss ich an Nena´s Song aus ´84 denken?
Gute Begleitmukke zu deinem tollen Erlebnis, ... findest du nicht? ;)

:inno: IRGENDWIE IRGENDWO IRGENDWANN :inno2:

https://www.youtube.com/watch?v=pkrspxly3Kc

:up2: DANKE :up2: für´s Teilen !!!

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Trabbelju
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Re: Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von Trabbelju »

Humorvoll, selbstironisch, authentisch.
Ich habe ein breites Grinsen im Gesicht.
Solch ehrliche Geschichten gibt es wohl nur im Innova-Forum.
Landjäger für unterwegs.
Die gehen immer.
Danke !!!
Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine
Helmut Schmidt, 23.12.1918 - 10.11.2015

Filstalwaver
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Re: Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von Filstalwaver »

Sapperlott ! Klasse !
Den Verabschiedungsgruß Deiner Gattin habe ich auch schon zu hören bekommen. Bin sicher, in dieser Verkürzung liegt:
"Pass gut auf Dich auf"; "Komm gut wieder heim"; "I´moag de drotzdem" und weiteres mehr, drin.

Bei Deiner sehr guten, plastischen Schilderung des Tankproblems kamen alle Sorgen und Nöte, welche man schon selbst erlebt hat, wieder hoch.
Eine Tour für echt harte Knochen. Respekt !
Vielen Dank für´s teilhaben lassen.
Gruß Hans.

Karl Retter
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Re: Vier Tage im Juli 2015 mit Eisenarschversuch

Beitrag von Karl Retter »

Klasse Done !!!
nein ich sag`s nicht :lol: aber ich kannte die Probleme auch.
bitte weiter so

Gruß Karl :inno2:

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