Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

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Done #30
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Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

Beitrag von Done #30 »

Vukovar

Entschuldigt, aber um die Intention zu der Tour zu verstehen muss ich weit ausholen. Vielleicht erklärt es auch, weshalb ich so lange brauchte um diesen Bericht endlich in Angriff zu nehmen.
Deshalb ein Kurzes Intermezzo vorab:

Vukovar

Da war ich nun.

Vukovar, eine Stadt bei deren Name mir stets, wie wenige andere Ortsnamen Gänsehaut verursachte wie Stalingrad, My Lai, Srebrenica, Leningrad, Dresden etc

Ich hatte mich vorbereitet. Ich ging ja schon eine Weile mit dieser Schnapsidee schwanger dorthin zu fahren.

Da war ich nun.

Warum Vukovar? Warum jetzt?
Naja, es war wieder mal die Pfadfindertrophäe 2015, die den letzten Anstoß gab. Als ich damals die Ausschreibung las, dass es drum geht Wassertürme Anzufahren, da fiel mir sofort der Wasserturm von Vukovar ein. Irgend wie war ich von diesem Ding sowohl fasziniert, als auch in gewissen Maße traumatisiert.
Dieses Symbol eines für mich unfassbaren, unnötigen und unverständlichen Krieges, bei dem sich unsere teilweise selbst auferlegte Ohnmacht, diese Geschehnisse unmittelbar vor unserer Haustür rechtzeitig zu deuten und zu verhindern, gnadenlops offenbarte.

Da muss ich weit ausholen.
- 1988 waren wir mit der Kawasaki GT 550 zu einem Spontanurlaub nach Istrien gefahren. Einfach so. Morgen aufgewacht, Wetter ist schön, lass uns losfahren, vollgetankt und los. Yugoslavien? Ja, da solls schön sein. Also grob die Richtung eingeschlagen. Eine Übernachtung unterwegs nach dem Großglockner, ein Tankstop und am nachmittag waren wir in die Nähe von Rovinji. Ganz gemütlich. Schön wars, aber wir hatten kaum deutsche Währung dabei. Postsparbuch war damals das Mittel zum Zweck. Da konnte man an jedem Postamt vor Ort Geld bekommen. Hatte sich unzählige Male bereits bewährt, allerdings war ich nicht sonderlich "Ostblockerfahren". Diesmal wars anders. Am ersten Tag empfahl uns der nette Schaltermensch (ich weiß nicht ob es auch Beamte waren wie bei uns) nur Geld für den unmittelbareen Tagesbedarf abzuheben. Man bekommt nur Landeswährung und die wird gerade tägich weniger wert. Ja, ne is klar.
Schon bei der Quartiersuche bekamen wir mit, was das bedeutete. Der Zimmerwirt bot uns für vier Nächte mit Frühstück einen Preis von ca 50 D-Mark bei Sofortzahlung. 20DM hatte ich noch und wollte ihm den Rest in der damaligen Landeswährung Dinar geben. Da sackte er sichtlich zusammen und bestand auf die 20 DM sofort plus einer Summe in Dinar, die den kurz zuvor am Postamt ausbezahlten 80 DM entsprachen. Also schnell mal das Doppelte als zunächst vereinbart.
Völlig unvorbereitet waren wir mit dem konfrontiert, was man mal in dem ungeliebten, öden, trockenen Unterrichtsfach Wirtschafts- und Sozialkunde gehört hatte. Die Bevölkerung hat kein Vertrauen in die eigene Währung, d.h. das Geld ist nichts wert, also Inflation. Was das bedeutete sollten wir die nächten Tage hautnah erleben.
Keiner wollte dieses Geld und wer welches annehmen musste, schaute, dass er es schnellstmöglich wieder los wurde. In den Läden waren zwar Preise an den noch verfügbaren Waren ausgezeichnet, jedoch war neben den Kassen immer eine Tafel mit dem aktuellen Multiplikationsfaktor angeschlagen. Ich dachte zunächst an reinen Touristennepp, als hinter mir beim Betreten eines Supermarkts mal der Faktor von 18 auf 19 geändert wurde. Da der Laden klimatisiert war und wir keine Eile hatten war, bis wir an der Kasse waren, der Faktor bereits auf 20 geändert.
Ein paar Läden weiter hörten wir einen Tumult, wo ein schwäbischer Tourist sich lautstark über die Abzocke beschwerte. Sein Lieblings-Sliwowitz war innerhalb einer Woche doppelt so teuer geworden. Es stellte sich heraus, dass es ein ehemaliger Ausbildungskamerad war. Er gab uns entsprechende Tips, wie wir weietr vorzugehen hatten um einigermaßen aus der sache rauszukommen und trotzdem den Urlaub zu genießen
Wir schauten dann auch, dass wir unser Bargeld los wurden. Die Speisekarten in den Restaurants wurden völlig unschwäbisch fortan von unten gelesen, bis etwas kam, was es noch gab.
Am Postamt tauchten wir täglich auf, holten umgerechnet ca 25 DM und am vierten Tag war der ausgezahlte Geldbündel schon fast doppelt so dick, wie bei der Ankunft für den selben Gegenwert.

- 1989 Weltpolitik: nahezu gewaltlose Wende, Mauerfall, sich abzeichnender Zusammenbruch des Ostblocks Privat: Umzug, Wohnung.
- 1990 Weltpolitik: Wiedervereinigung und Orientierungslosigkeit der Führung, Ende der Apartheid in Südafrika, viele baltische Staaten unabhängig, Hoffnung auf Weltfrieden
Privat: Wehrdienst mit einigen Motivationsproblemen meinerseits und Orientierungslosigkeit der Führung ,
Heirat vor unserem neuen Ortspfarrer, einem, wie ich ihn versehentlich ansprach, Yugoslawen. Er korrigierte mich sofort und seine Stimme liess die Luft gefrieren. "Ich bin Kroate." hoppla?
dann noch ein schwerer Unfall und man merkt was wichtig ist im Leben: Leben und leben lassen
- 1991 Golfkrieg: USA bombardiert Bagdad, Slowenischer Unabhängigkeitskrieg,
Kaum im Westen beachtet: Bewaffneter Zwischenfall bei den Plitvicer Seen, Unabängigkeitserklärungen einzelner Länder
He hallo, was fällt euch ein? Das ist unser Urlaubsgebiet!

Zusammen mit den Erläuterungen unseres Pfarrers war mir bald klar, was passieren wird. Mangels Weltmachtinteressen wegen nicht vorhandenen ausbeutungswerter Recourcen schliddet das Land in ein politische Chaos. Dass aber daraus ein derart erbarmungsloser Bürgerkrieg entstehen sollte, das entsetzte mich. Noch mehr wie das kaum vorhandene interesse der Medien mehr als das unbedingt Nötigste zu berichten. Die Informationslage war ja auch höchst verwirrend. Beispielhaftes Zitat zum Scharmützel von Borovo Selo "Es gibt zumindest drei unterschiedliche - und in Konflikt zueinander stehende - Beschreibungen der Ereignisse in Borovo Selo. Diese Versionen weichen, je nach politischer Ausrichtung des Erzählenden, so stark voneinander ab, dass es kaum noch möglich sein dürfte, das tatsächliche Geschehen zu rekonstruieren."

Trotzdem war ich irgendwie immer dran und speziell die Schlacht um Vukovar mit den Bildern vom und um den Wasserturm und den gescheiterten Hilfskonvois brannte sich in mein Gedächtnis. Ebenso die Bilder von den ausgemergelten Menschen in den Gefangenenlagern, welche 1:1 auch hätten in einem KZ gemacht worden sein. Warum sollten diese ein anderes Schicksal zu erwarten haben, als die damaligen Opfer? Weshalb tat niemand was? Die Belagerung von Sarajewo, das Massaker von Srebrenica überraschten mich nicht wirklich. Leider
Und das ganze, wie mein Vater immer sagte: Nicht mal ne Tankfüllung entfernt von der eigenen der Haustür und keinen schert es wirklich.
Naja, Deutschland traute aus historischen Gründen sich dort nicht nochmal die Finger zu verbrennen, rang sich aber immerhin recht frühzeitig zu einer Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch, sowie der Aufnahme von Flüchtlingen.

Soweit die Geschichte, wie sie mir im Gedächtnis war. Evtl Unschärfen oder Fehler in obiger Darstellung möge man mir verzeihen. Irgendwann ging man hierzulande wieder zur Tagesordnung über. ok

Vukovar, Vukovar, Vukovar, verdammt ......

Ich hatte mich vorbereitet. Wie man sich eben vorbereitet, wenn man nicht als Pauschaltourist seinen Billigurlaub all-inclusive besoffen an einem Strand verballern will.
Ich hatte mich nächtelang durch unzählige Wikipedia-Artikel durchgewühlt, Landkarten gewälzt, Berichte gelesen. ein paar Beispiele

https://de.wikipedia.org/wiki/Kroatienkrieg
https://de.wikipedia.org/wiki/Bosnienkrieg
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Vukovar
sowie dutzende youtube-Videos zum Thema

http://www.centardomovinskograta.hr/pdf ... 11-opt.pdf

Mangels Kenntnis der Örtlichkeiten, der Sprache und Zusammenhänge konnte ich diese Infos auch nicht immer einordnen. Ich wusste also weniger als zuvor.

Ich hoffte, dass sich einiges klären würde, wenn ich mal vor Ort sein könnte.
Das beklemmende Gefühl, wie nah diese Geschehnisse damals waren, wurde bestärkt, dass ich es tatsächlich geschafft hatte mit meinem Moped in einem Rutsch ins Zentrum der damaligen Auseindersetzung zu fahren.

Trotz oder aufgrund der Anstrengung hatte ich aber sehr gut geschlafen und ich war der letzte Hausgast der an diesem morgen den Frühstücksraum betrat. Die freundliche Dame von der Reception vortags begrüßte mich freundlichst und es erwartete mich ein ausgiebiges Frühstück.
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Frische Feigen:
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Nach etwas Small-Talk und versorgt mit touristischen Infomaterial wollte ich mich mal umsehen. Ich hatte nur den einen Tag, diesen Mittwoch zur Verfügung.
Denn am Samstag war zuhause Dorffest und ich hatte dort ein Resort zu besetzen. Deshalb war der Plan Donnerstags gemütlich zu Werner weiterfahren nach Wien, freitags noch gemütlicher weiter nach Hause. Was auf einen Rutsch in eine Richtung geht, das sollte locker in zwei Etappen zurück auch gehen. Naja.....

Vorab: Done und Pläne, das geht nicht
Zuletzt geändert von Done #30 am Di 10. Jan 2017, 03:27, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Erst die Pflicht

Beitrag von Done #30 »

Nach so einer Gewalttour muss man sich erst um sein Fahrzeug kümmern. Also raus an die Garage und erstmal umgeschaut, was am Vorabend noch im Dunkeln lag
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Meine Unterkunft, ein normales Haus in einer Reihensiedlung, war tiptop gerichtet. Aber schon das Haus daneben war noch übersät von Einschüssen. Hinter mir gings am Parkplatz über eine Plantage zum Fluß runter. Leider nicht begehbar, aber da war sie, meine Donau, da ist sie wieder. Wie ein alter Freund.
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Vollgepackt mit Getränken und im leichten Sommerdress nur mit Helm gings erstmal an eine Tankstelle zur Kettenpflege. Ja, das war nötig, dass sich hier mal wieder ein Tropfen Öl verklemmt:
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und dann Pflichttermin, Pfadfinderfoto am Wasserturm von der Hauptstraße aus:
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und noch eins, und noch eins ......
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Hinter mir eine Parole an der Wand, die ich natürlich nicht lesen konnte. Nach einer Liebeserklärung sah das aber nicht aus.
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Rum ums Eck, näher zum Turm hin. Unübersehbar die vielen Einschüsse
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da war gleich auch eine Infotafel.
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Text besser lesbar.
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Am Turm hats unten eine Tür:
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die war offen, ich hab aber nur kurz die Kamera reingehalten und nach oben fotografiert.
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der Aufzug war wohl schon länger außer Betrieb
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Ich hab zwar Bilder im Netz gefunden von Leuten, die auf dem Turm oben waren.
Man sah es deutlich: Der Turm hat offenbar schon mehr ausgehalten als mich. Ihm würde es nichts ausmachen, wenn ich hochstiege. Aber ich hab mir das verkniffen. Weniger die Angst vor der Exekutive, eher gesunder Selbsterhaltungstrieb. Es musste nicht sein fern der Heimat noch mehr gefährlichen Blödsinn zu machen, als bisher schon.
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Weiter gings in die Stadt, ein bischen Sightseeing und Spurensuche hatte ich eingeplant
Zuletzt geändert von Done #30 am Mo 9. Jan 2017, 18:19, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Sightseeing und Spurensuche

Beitrag von Done #30 »

Meine Art der Spurensuche:
Ich hatte mir einige Fotos von der Stadt nach der Schlacht auf DIN A4 ausgedruckt. Wenn ich die Stelle wiedergefunden hatte, hab ich das Bild auf einem Klemmbrett am Moped befestigt und von der selben Stelle ein Vergleichsbild gemacht:
Das hier
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müsste hier sein:
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Auf der anderen Straßenseite fand ich diese Stelle wieder:
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Nebenbei noch einen, den kleinen Wassertum mitgenommen
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Partie mit dem ehemaligen Hotel Dunavar, welche auf vielen Fotos zu erkennen ist und mir neben dem Wassertuem als Orientierungspunkt diente:
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direkt daneben mündet die Vuka in die Donau und das Denkmal zu Ehren der Verteidiger Vukovars dominiert die Szene
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Am Ufer und Wasserstand des Winterhafens kann man erkennen, dass der Sommer 2015 extrem trocken war.
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Die Vuka führte nur noch ein wenig Wasser zur Mündung, das auch schon etwas modrig roch. Links der Omnibusbahnhof.
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Das Gebäude im Hintergrund hatte ich auch schon in anderem Zustand gesehen:
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Was es mit dieser relativ neuen Brücke zwischen zwei Wohngebieten auf sich hatte, steht auf einer Inschrift auf der anderen Seite. Ich erfuhr es erst im Lauf des Abends.
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Eine weitere Szene fand ich auch bald.
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Hier etwa müsste das Bild aufgenommen worden sein.
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Das Gebäude links fehlte inzwischen völlig:
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Ich war um die Mittagszeit unterwegs und die meisten Leute wirkten etwas in Eile. Trotzdem wurde ich immer wieder ob meines seltsamen Treibens und der Bilder am Moped freundlich angesprochen. So groß ist die Stadt nicht und ich erhielt großzügig Infos zu den jeweiligen Aufnahmeorten. Schnell war ich mit den paar "Pflichtaufnahmen" durch und gönnte mir an einem Imbiss eine Kleinigkeit. Der war überwiegend mit Männern zwischen 40 und 60 besetzt, welche sich mir gegenüber aber etwas reserviert verhielten. Also wieder raufs aufs Moped, und im dritten Gang Standgas pöttelte die Inno durch die Seitenstraßen.

Kiche des Schloß Eltz. Beide mustergültig und aufwendig renoviert:
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daneben eine Brachfläche. Hier stand mal ein Haus.
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Ein Kellerabgang, offenbar zwischenzeitlich als Bunker, später als Disco benutzt
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Die Donau lockte mich natürlich an. So groß kenn ich sie nicht. Links gegenüber auf dem Serbischen Ufer war offenbar ein von jungen Leuten gut besuchter Badestrand. Laute Musik dröhnte herüber und ständig pendelte ein Motorboot.
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Schlappen runter und rein ins Wasser:
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oben die uferseitige Fassade des Schloß Eltz. Die Zertörungen des Krieges sind offenbar behoben
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Der Bahnhof von Vukovar wird wohl so bleiben:
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Weitere Ruinen mit Einschussspuren unterschiedlicher Kaliber finden sich überall. Ich kann es mir nicht ausmalen, wie es hier wohl zugegangen ist
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to be continoued

BITTE HIER IM THREAD VORERST NOCH KEINE KOMMENTARE HINTERLASSEN;

Ich muss den Text in mehreren Etappen von verschiedenen Plätzen aus schreiben. Wenn die Beiträge zu groß werden komm ich nicht zurecht.
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Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag sightseeing vormittags

Beitrag von Done #30 »

Ein Friedhofsportal machte mich neugierig
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Dahinter nicht gerade Verwüstung, eher Wüstung, also verlassen
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offenbar wurden hier bis 1945 überwiegend die Verstorbenen der donau-schwäbischen Bevölkerung Vukovars beerdigt
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Arm scheint die Bevölkerung nicht gewesen zu sein. Durchaus stattliche Grabmale verwittern dort seit teilweise über 80 Jahren
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Auf der schwer ramponierten Friedhofskapelle doch Zeichen des Lebens: Heftiges Klappern: Ein Storchenpaar bei der Versorgung des offenbar bereits pubertierenden Nachwuchs
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Knochentrocken und staubig wars am Busbahnhof. Und immer und überall war ein Blick auf den Wasserturm möglich. Hier am Horizont in Bildmitte. Links das Hotel Dunava.
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Am Obstmarkt konnte man im Schatten gut einkaufen. ich war zwar spät dran, aber lecker Trauben gabs noch.
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wieder am Winterhafen, links Hotel Dunava, mittig der kleine Wasserturm
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Die Hafenverwaltung an der Einfahrt zum Winterhafen. Wie man sieht, konnte hier schon länger kein Schiff mehr passieren
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Schloß Eltz auf der Flusseite
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Schöne Gebäude in zweifelhaftem Zustand mitten in Wohngebieten
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im Gegensatz dazu schön renovierte Sakralbauten:
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Mein Getränkevorräte gingen zur Neige. 35 Grad im Schatten rumgondeln fordert Tribut. Ein Supermarkt hatte Löwenbräu in 2l-Plastikflaschen im Angebot.
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Ich konnte mich beherrschen, so groß war die Not dann doch nicht und kaufte einen Sixpack 1,5l-Limo sowie ein Saftkonzentrat, das in Deutschland wohl nicht verkauft werden dürfte. Schon auf dem Parkplatz war die erste Flasche Limo leer.

Weiter rumgondelm in den Seitenstraßen. Immer wieder der Wasserturm
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und immer wieder Spuren übler Gefechte
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Es war dann selbst barfuß in Sandalen, kurzer Hose und t-Shirt im leichten Fahrtwind unerträglich heiß, so dass ich zurück an die Unterkunft fuhr um für die morgige Weiterfahrt die Geträmke zu deponieren.
Typischer Anblick der drei verschiedenen, aber typischen Zustände der Häusern in Vukovar ca 20 Jahre nach offiziellem Kriegsende:
- Tiptop renoviert und bewohnt
- völlig zerschossen und unbewohnbar
- notdürftig geflickt und gelegentlich bewohnt
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Ich habs mir erklären lassen:
- Erstere gehören meist kroatischen Besitzern mit guten Beziehungen zu Regierungsstellen, die somit leichter an Fördermittel zu Behebung von Kriegschäden kamen
- Zweiteres sind meist von unklarem Eigentumsverhältnissen, verstorbenen Eigentümern oder welche, die sich aus angst vor Repressalien nicht zurück trauen
- Drittes sind meist unbescholtene, aber mittellose Besitzer, die u.U. regierungskritisch oder gar serbenfreundlich sind und somit auch keine Chance auf Fördermittel haben.

In wie weit diese Aussage tatsächlich stimmt kann ich nicht beurteilen. Ich habe dies so von zwei Personen unabhängig voneinander gehört.

Aber erstmal in die kühle Unterkunft, nochmal viel trinken, Kontakt mit der Heimat pflegen und dann noch ein paar Brocken von der herzhaften Dauerwurst, die ich am Vortag im Voloder anlässlich des gescheiterten Eisenarsches gekauft hatte.
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Ein paar Minuten hinlegen. Die Ruhe tat gut um die Getränke wirken lassen, bis ich erstmals wieder pinkeln konnte. Bislang hatte ich alles rausgeschwitzt. Aber nun wusste ich, dass der Flüsigkeitshaushalt wieder stimmte.
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vorwort

Beitrag von Done #30 »

Nur zum Trinken und Pinkeln hätte ich auch zuhause bleiben können, also wieder los mit frischen Vorräten.

Der Wasserturm vom Klosterhof aus:
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Häufig sieht man solche Infotafeln, meist mit einer meiner Meinung nach recht einseitigen Sicht. Stets ist die Rede vom serbischen Aggressor.
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Der Zustand der Franziskanerklosterkirche St. Philip und Jakob vor und nach den Kriegshandlungen auf Schautafeln.
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Vom Hof kann man auf die Donau runter sehen:
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An der Einfahrt zum Klosterhof ein Gebäude mit Schäden, die provisorisch behoben wurden um das Gebäude schon wieder nützen zu können. Die Fenster und Wände sind wieder ok, aber die wundervollen Stuckarbeiten über den Fenstern fehlen noch. Das braucht noch viel Zeit und Geld.
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Die Hauptstraße zum Stadtzentrum: Wieder die drei verschienenen Gebäudezustände Die Planen sollen wohl vor streunenden Tieren schützen
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Ruine in bester Lage
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Gleich dahinter der Hafen mit Blick nach Südosten zum Kloster, Wasserturm und irgendwo weiter hinten meine Unterkunft:
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Denkmal mit stürzenden Fassaden am Hafen. Ich hatte mal eine Erklärung dazu, finde sie aber gerade nicht
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Was in manchen Ländern kein Neuland ist: Offenes Internet gibts nahezu überall:
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Dann gings ein bischen ins Umland. Hier durch die Straße der 204. Brigade in Richtung Westen
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Überall entlang dieser Strecke Denkmäler, Mahnmale, Grabstellen
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Denkmal für die Opfer des Heimatkrieges im Zentrum von Bogdanovci, Kurz vor der Einkesselung Vukovars die letzte Verbindungslinie zur Stadt
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Hier eine Karte vom Schlachtverlauf:
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Dann irrte ich ein wenig über die Felder, aber stets mit Blick auf den Wasserturm. So langsam wird die Symbolhaftigkeit dieses Turms für die Verteidiger der Stadt klar. Solange das Ding steht, solange steht die Stadt.
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Zerschossener Bauernhof zwischen Marinci und Nustar
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Friedhof in Nustar. die meisten Gräber sind von 1991
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Gosseau-Sandor-Khuen in Nustar, ebenfalls noch schwer gezeichnet
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Als ich in Vinovci mein Moped mit diesen Panzer vor einer Kaserne Fotografieren wollte, kamen sofort zwei bewaffnete Wachsoldaten aus einer Stube gerannt und wiesen mich freundlich darauf hin, das Motiv bitte so zu wählen dass der Kaserneneingang und ihr Posten nicht erkennbar sei. ok, wenn man mich so nett fragt, dann ist das ja kein Problem. Die Argumentationshilfe wurde gar nicht benötigt.
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So langsam sank die Sonne, ohne dass es wirklich kühler wurde. Eiegntlich wollte ich noch zwei Gedenkstätten Ovcara und den Friedhof, anfahren, aber plötzlich fielen mir die im flachen Licht aufblinkenden großen Stecknadeln auf.
Verd..... :stirn: :stirn: :stirn: :stirn: :motzen:
das sind ja Wassertürme im Sinne der Pfadfindertrophae 2015!
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Ein Rundumblick auf einer leichten Anhöhe ergab: alleien in Sichtweite sieben Stück. So fern der Heimat so viele Big-Points, man muss sie nur mitnehmen.
Schnell die restlichen Trauben gefuttert, die ich schon die ganze Zeit von der Durchstiegstasche gepflückt hatte (Beste Idee ever!), und los
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Ich hab dann noch ein paar Punkte gut gemacht, nahezu jeder Ort hatte mehrer Aussiedlerhöfe, bzw Farmen mit dieser Art der Wasserversorgung. Ich ärgerte mich nur kurz, dass ich nicht früher drauf geachtet hatte. In Vinkovci beobachtet ich bei einem Eis noch ein paar Ruderbootfahrer beim Training
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Noch ein paar Stecknadeln gepunktet und dann wurde es langsam dämmrig
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Ich wollte nun eigentlich in die Satdt zurück und ordentlich zu Abend essen. Nicht weil ich wirklich Hunger hatte, dafür war es zu heiß, aber einfach um die Laune und die Figur zu halten. ;-)
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Beitrag von Done #30 »

ok, dann eben zurück, die beiden Gedenkstätten lass ich eben aus. Hab stattdessen ein paar Wassertürme gemacht. Man muss ja noch einen Grund für den nächsten Besuch in der Hinterhand haben.
Also kurz nach 20 Uhr entschließe ich mich gemütlich zurück Richtung Stadt zu pötteln.

Da fällt mir im Vorbeirollen hinter einem Zaun diese Waffensammlung auf:
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in einer normalen Kaserne lässt man doch sein Zeug auch nicht so offen rumstehen?
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Einem Passanten kann ich radebrechend die Info abringen, dass an der nächsten Einmündung ein Eingang sei. ok, rum ums Eck. Ich steh an einer Schranke, mit einer Infotafel:
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Also offenbar eine ehemalige Kaserne und es wird heftig gebaut
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Ich schalte den Motor aus, nehme den Helm ab, steige ab und möchte die Position im Navi programmieren um mir die Sache evtl. anderntags noch kurz anzuschauen. Auch hier kommen plötzlich zwei Wachsoldaten aus einer Art Holzhütte, einem provisorischen Wachlokal gerannt. Einer in Uniform, der andere in Zivil, beide bewaffnet und erkundigen sich was ich hier mache. Wir kommen schnell auf Englisch miteinander zurecht. Der Uniformierte entschuldigt sich, dass der zivile Kollege sein Vorgesetzter sei, und gerade eben seinen Dienst angetreten hätte. Ich erfuhr, dass hier ein Militär-Museum aufgebaut werden soll im Andenken an die Schlacht um Vukovar. Aber leider sei bereits seit 18 Uhr geschlossen und anderntags würde gegen 10 Uhr geöffnet. Schade, da wollte ich eigentlich schon längts auf dem Weg über Budapest Richtung Wien sein. Egal, ich hab ja die Navidaten. Sie erklärten, dass sie von einer privaten Sicherheitsfirma seien, die jedoch bewaffnet Wachaufgaben übernehme. Gelegentlich komme der Chef und kontrollierse seine Leute, das sei nicht gut für die Karriere, wenn dann was nicht stimmt. Wir unterhielten uns über alles mögliche, woher, wohin, weshalb ich in Vukovar sei und was ich bisher geshen hätte und überhaupt mein Eindruck von der Stadt. Nach so etwa einer halbes Stunde an der Schranke stehend und redend, schauten sich die beiden an, der Zivile nickte kurz und der andere ließ die Schranke hoch. Beide deuteten aufs Gelände: "The Exhibition, it's yours, go and enjoy it before it gets too dark." Offenbar hatte sie meine intensive Vorbereitung und Geschichtskenntnis überzeugt, dass hier kein gelangweilter Pauschaltourist, sondern jemand mit wirklichem Interesse vor ihnen steht. Ich schob das Moped mit offenem Topcase, offener Durchstiegstasche, Helm am Lenker und steckendem Zündschlüssel nur auf die andere Seite der Schranke und bekam angesichts meiner kurzen Klamotten den Tip: "Accept the mosquitos"

Also auf persönliche Aufforderung, unangemeldet, ohne Identitätskontrolle, kostenlos und außerhalb der Öffnungszeiten in eine ehemalige Kaserne gelassen zu werden, das hat mich verblüfft. Ich hatte nur das Handy einstecken und los.

Im letzten Büchenlicht noch im Laufschritt durchs Gelände und geknipst, was noch zu knipsen ging.

Panzerfahrzeuge
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Panzer:
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ein Landungsboot:
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ein gepanzerter Sanitätsbus als Krankentransporter:
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Arg viel Sicht hat der Fahrer nicht, der hier unbequem neben dem Frontmotor sitzt
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Die Aussichten hinten sind auch nicht so einladend:
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Die waren damit nicht nur zum Blumenpflücken unterwegs. Eindeutig als Sanitätsfahrzeug markiert, aber übersät mit Einschlägen: Soll einer noch was von einem "sauberen Krieg" erzählen
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Eine Antonov AN2
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Eine Mig 21 und ein Raketenwerfer
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Artillerie:
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Stilisierte Bedienmannschaft:
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Dann brach ich ab.
Die "Moskitos" waren unerträglich. Wenn man nicht im Laufschritt durch die knochentrockene Wiese rannte, waren die offenen Körperstellen binnen Sekunden schwarz vor Viechern. Da mein Handy bei dem Licht ewig brauchte zum Fokussieren und dann nochmal lange zum Belichten war meine Leidensgrenze überschritten. Nach jedem Foto rumhampeln half nichts und abstreifen verteilte nur die bereits blutgefüllten Mücken auf der Haut. Sah nicht sehr ästhetisch aus. Also zurück zum Moped, kurz danke sagen und nix wie heim unter eine kühle Dusche.
Zuletzt geändert von Done #30 am Di 10. Jan 2017, 01:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Done #30 »

Aber da hatte ich die Rechnung ohne die beiden bewaffneten Jungs an der improvisierten Wachstube gemacht.

Die fingen mich ab und wollten gleich ausführlich wissen, was ich gesehen hätte, wie ich es empfunden hätte und ob ich ich noch weitere Infos bräuchte. So kamen wir von einem Thema zum nächsten. Als ich gegen halb zehn langsam doch zum Aufbruch drängte, wegen Abendessen und so meinten sie ich solle noch bleiben. Sie könnten mir zwar nichts zu essen anbieten außer ein paar Bonbons, aber sie würden sich freuen wenn ich auf einen echten Bohnenkaffee "Turkish Coffee" bei ihnen bleiben würde. Naja, wenn man so nett fragt und außerdem waren sie ja bewaffnet ;-)
In der Hütte gab es keinen Strom, aber mit einem übel rußenden Benzinkocher im Lichte einer Art Petroleumlampe, beides hielt die Mücken draußen, war unter Lachen und Scherzen bald etwas heißes Wasser und somit auch leckerer Kaffee bereitet.

Das Gespräch wurde immer persönlicher und für mich war es eine völlig neue Erfahrung. Bislang waren es immer nur alte Leute, Veteranen oder einfach Ewig-Gestrige, die vom Krieg und der Zeit danach erzählten. Wenn sie es denn noch taten, weil es irgendwann sowieso keiner mehr hören wollte. Eine verbitterte verheizte Generation.

Plötzlich sitze ich mit jungen Leuten zusammen, halb so alt wie ich und sie erzählen mir vom Krieg! Unmittelbar selbst Erlebtes.

Da stimmte was nicht.

Ich kam mir so schlecht vor.
Ein Vertreter einer Generation, die bislang das unverdiente und unverschämte Glück hatte, von Krieg und Terror völlig verschont geblieben zu sein.

Kurz zusammengefasst in paar Sachen, die mir hängen geblieben sind. Die beiden waren aus demselben Dorf in der Nähe. Dann passierten die ersten Säuberungen. Als kleine vier- und fünfjährige Knirpse kamen sie weg in Kinderlager, in ihrem Fall beide gemeinsam in die Nähe von Rovinji. Ich beschrieb wie wir dort Urlaub machten und die ersten Anzeichen des Zerfalls des Landes mitbekamen, aber nicht zu deuten wussten. Sie beschrieben ihre Zeit im Kinderlager.
Und wie der Vater des einen als einer der Wenigen Männer seines Dorfes überlebte. Er hatte sich verkleidet in eine Gruppe Frauen gemischt, die evakuiert werden sollten. Mit völlig überfüllten Bussen wurden sie von einem Kontrollposten zum anderen gekarrt. Er hatte sich unter dem Sitz zwischen Gepäck versteckt. Bei einer der vielen Kontrollen wurde er von einem serbischen Milizionär, also keinem regulären Soldaten entdeckt und er hatte die Mündung einer Schnellfeuerwaffe an der Stirn. Normal wäre zu erwarten gewesen gewesen, und das sei auch öfter passiert, dass der Soldat in so einer Situation ohne zu zögern abrückt und sein Magazin zum Nachteil der anderen umstehenden Personen noch leert.

Das passierte nicht. Es war sein Nachbar, der ihn gerade noch rechtzeitig erkannt hatte.

Er wies ihn mit einer winzigen Bewegung an sich ruhig zu verhalten und der Bus konnte weiterfahren. So konnte sein Vater überleben Nachtrag: Der Nachbar überlebte offenbar nicht

Es war immer noch ca 30 Grad, wie hatten einen heißen Kaffee in der Hand, aber mich fröstelte plötzlich.

Weitere Themen des Abends:
- Sie haben mir von dem Ovcara-Massaker erzählt
- von Jean-Michel Nicolier
- nach dem eine Fußgänger-Brücke benannt ist. Dummerweise nicht die, an der ich im obigen Beitrag stand
- von einer alten Frau, die immer noch nie ohne mit Messer bewaffnet unterwegs ist, weil sie ihre ehemaligen Nachbarn treffen könnte, die ihre Söhne auf dem Gewissen hätten

ich habe sie gefragt,
- weshalb in dem Museum alle Waffensysteme auf das andere Donauufer gerichtet seien, also die serbische Seite
- war die Graffity auf der Hausmauer bedeutete: Wir wissen was für uns gut ist. Da gehts um den Sprachenstreit

und vieles mehr


Die Jungs beschreiben ihr weiteres Leben als Kriegsgeneration, so wie ich von meinem Vater auch kannte: Trümmerfelder als Spielplätze, viele Spielkameraden waren Halb- oder Vollwaise, aufwachsen bei Verwandeten. Man kannte nichts anderes.
Nochmal: Das erzählten mir junge Kerls mit ca 25-28 Jahren

Die beiden machten dieselben Schulen und ähnliche Berufausbildungen fertig, ich glaube Heizungsbauer und Flaschner. Der Ranghöhere der beiden sei stets und ohne Mühe der Klassenbeste gewesen und hätte nach einem ebenfalls gemeinsamen Wehrdienst auch schon als Elektriker gearbeitet. Mangels Arbeit sitzen sie beide nun als Wachdienstler rum.

Angesprochen auf ihre Zukunft, ob sie sich bis zur Rente vorstellen könnten, in so einer Bude die Nächte um die Ohren zu hauen und gelegentlich auf Streife zu gehen kamen ihnen schon Zweifel.
Der Smartere hatte offenbar schon über einen Lehrer bei Mensa einen IQ-Test mitgemacht mit einem deutlich überdurchschnittlichen Ergebnis.
Auf meine Frage, warum er sich nicht weiter qualifiziere, also Studium und so,drückte er sich doch recht verlegen um eine Antwort. Ja, er könnte schon, aber sein Kumpel und seine Freundin, sie hätten es ja auch garnz nett und es würde grad alles passen und es sei recht bequem so.

Da ging etwas der Papa mit mir durch. Mit den Worten "for you, for your family and for your country: Start your education now" trat ich ihm kräftig in den Hintern!

Bevor mir klar wurde, was ich gerade getan hatte, einem bewaffneten Menschen im Dienst einen A...tritt zu versetzen, stimmte mir sein Kumpel zu. Er hatte es ihm schon tausendmal gesagt, der faule Kerl solle was aus seinem Leben machen, aber er würde nicht hören.
Sichtlich belämmert ließ er sich auf seinem Stuhl fallen und brummelte irgendwas, was ich als leicht verärgerte Zustímmung deutete.

Bevor ich noch weitere gefähliche Handlungen beginnen konnte verabschiedete ich mich dann kurz nach elf von den Jungs, also nach zuletzt dann doch über zweieinhalb höchst interessanten Stunden im Wachlokal.
Mit den besten Wünschen für aller Zukunft, einem kräftigen Trinkgeld in die Kaffeekasse und weiteren verbalen Tritten seien Ar... hochzubekommen gelang es mir mich auf den Weg zur Unterkunft zu machen.


Damit war der Abend aber noch nicht rum.
Der Wasserturm ist ja nachts gut erleuchtet und ich hatte extra dafür meine Spiegelreflex dabei.
Allerdings lag das Stativ, das sehr nützlich ist bei Langzeitbelichtungen, in der Unterkunft. :stirn:
Ich wollte aber um die Zeit nicht zweimal durchs Haus, also machte ich einige Bilder, indem ich die Kamera irgendwo auflegte, manuell fokussierte und mit Selbstauslöser arbeitete.
Bild

Die Straßenlaternen entlang der Hauptstraße und an dem Parkplatz daneben machten mir durch Reflexionen das Leben schwer und so war ich eine Weile beschäftigt bis einige brauchbare Aufnahmen im Kasten waren.
Bild

Am Schluß wollte ich noch die Kamera ganz tief halten. Also Durchstiegstasche auf den Boden, Kamera drauf und mangels Klappdisplay auf dem Bauch auf dem Boden liegend den passenden Bildauschnitt gesucht.
Bild

Ich liege da so auf dem Boden, als ich auf der Hauptstraße ein deutlich schneller fahrendes Auto höre. Kaum dass es vorbei ist, quitschen die Reifen, das ABS rattert, U-Turn, der Wagen beschleunigt stark, kommt zurück, biegt auf den Parkplatz vor mir ein und fährt mir ins Bild.

Polizei.


Au mann, was wollen die?

Auf der Fahrerseite geht die Scheibe auf, jetzt bloß keine ruckartigen Bewegungen und ja nichts Falsches sagen. Ich nicke nur kurz.

- Polizist schaut mich an, immer noch auf dem Boden liegend, fragt auf perfektem Deutsch: "Hallo, alles klar?"
- nichts Falsches sagen. Ich nicke nur kurz. "Ja"
- schaut mich an, schaut das Moped an, "Sind sie aus Neu-Ulm?" nochmal: nichts Falsches sagen.
- Ich nicke nur kurz "Äh, ja, nicht ganz, aber in der Nähe. Senden. Sie kennen das Kennzeichen?"
- "Ja, klar, kenn ich das. Ich war als Kind während dem Krieg in Ludwigsfeld. War ne schöne Zeit. Was mach sie hier?"
- "Langzeitbelichtung, aber ich hab mein Stativ in der Unterkunft vergessen, also hab ich die Kamera auf die Tasche gelegt."

Da knackt irgendwas im Funkgerät, der Beifahrer macht irgendeine Bemerkung und deutet mit dem Finger in sie ursprüngliche Fahrtrichtung
- "Wir müssen weiter. Schönen Aufenthalt noch. Tschau."
Und mit quitschenden Reifen gings weiter
Bild

Ich lag nach dem Bild noch ne Weile auf dem Boden und begriff so langsam, was mir eigentlich den ganzen Tag so widerfahren ist. Welche Eindrücke, welche Emotionen, welche Begegungen, einfach irre.
Ich hoffe ich konnte euch einigermaßen daran teilhaben lassen.


Zurück an der Unterkunft die Einsicht: Hätte ich doch Langärmlige Klamotten getragen! Und Sonnencreme dabei gehabt!
Schon am Abend nach der Dusche deutete sich an, das ich morgen viel Spaß in langen Klamotten haben werde
Bild

Für Statistiker
Die Tour des heutigen Tages ist orange. Die Anfahrt war blau, die Weiterfahrt am nächsten Tag ist rot
Bild

Soweit mal der zweite Tag
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien

Beitrag von Done #30 »

Offenbar ging es nicht nur mir so, auch andere Reisende haben ähnliche Impressionen mitgenommen:
http://www.on-the-bike.de/vukovar/

Nachtrag noch zu dem Abend mit den jungen Wachdienstlern:

Quasi nebenbei fiel in der Wachstube ein Satz, an dem ich noch lange zu kauen haben werde:

You did only see the visible things


Denkt daran, wenn ihr irgendwo vorbei fahrt
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien

Beitrag von Motorradverrückter »

darf man schon kommentieren? :?

Der Teil mit dem vertrocknetem Gras beim Busbahnhof, dem Markt mit den Trauben, die Trockenen Feldwege und die vielen Wassetürme, wie auch die Fotos in der Dämmerung, erinnern mich daran, wie wir als ich klein war in Ungarn waren jeden Sommer, ich spüre regelrecht die Wärme und wie es einfach nicht kühler wird hin zum Abend sondern es sich irgendwie komisch anfühlt und auch die Moskitos spüre ich regelrecht. In dem Ort in dem wir waren, wurde regelmäßig Insektenbekämpfungsmittel gesprüht, aus einer AN2 die in 20Meter Höhe langsam über die Stadt gebrummt ist, noch jetzt kriege ich Gänsehaut, wenn ich an das Geräusch denke :D , wie gesund das war, keine Ahnung, aber ein Spektakel aufjedenfall, aber wehe man war irgendwo leicht außerhalb der Stadt, die Moskitos.... :wein:

Also ich stelle mir grad vor, was für ein tolles Gefühl das sein muss, bei 35° mit Schlappen, kurzer Hose, T-Shirt und Jethelm in der Gegend vor sich her zu gondolieren, vollkommen entspannt (Verkehr gibt es ja quasi keinen und selbst wenn kann schnell überholt werden) und sich ab und zu eine Traube zu gönnen und die Landschaft und die Fahrt zu genießen.


Aber mal eine Frage, wie waren die Hauptstraßen? Ich erinnere mich an die 4er Magistrale durch Ungarn vor Reparatur und Ausbau, mit Spurrinnen so tief, dass Sportwagen aufgesetzt wären und LKWs in fragwürdigem Zustand die stark beladen sind.


Danke dir für den Reisebericht, bringt herrliche Erinnerungen hoch 8-) :sonne: :prost2: und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung.


P.S. Das Vergleichsfoto zur Ruine in bester Lage wäre noch gut, unterstreicht einfach wie surreal das teilweise ist in dem Ort
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien

Beitrag von Done #30 »

Kommentare sind erlaubt. Ich brauch wieder ein paar Tage emotionale Pause

Die Ruine ist hier

Die Straßen sind allgemein in einem recht guten Zustand. Also mit einer CUB kein Problem

Sehr genossen hab ich die letzte Strecke auf der Anfahrt, also die Fahrt von Rusevo nach Slobodna Vlast
Perfektes Kurvenschwingen

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Reisebericht Ulm - Vukovar - Wien- Ulm "Vier Tage im Juli 2015" 20.-24.07.2015
- Teil 1 erster Tag: Anfahrt mit Eisenarschversuch
- Teil 2 zweiter Tag: Stadt Vukovar "you did only see the visible things"
- Teil 3 dritter Tag: von Vukovar nach Wien
- Teil 4 vierter Tag: Wien - Ulm übern Erzberg und durchs Gesäuse

Dazu die komplette Bildergalerie "Vier Tage im Juli 2015"
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

Beitrag von Motorradverrückter »

ja aber ich erinnere mich ein Foto gesehen haben, mit dem Haus vor der Zerstörung und jetzt und bei beiden Fotos waren die Blumen dran, das hat mich gepackt
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

Beitrag von werni883 »

Servus,
Tito war tot + eine Macht wollte einen Stützpunkt im Kosovo. M. war dem Russen im Wort und sagte: "nema/nein." Also kam der gutbezahlte Bürgerkrieg und das Land der Südslawen zerfiel. Jug (Süd) o slawien.
werni883
.KONI:.https://www.spritmonitor.de/de/detailan ... 03618.html nenenikikamen = yes, yes, we won!

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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

Beitrag von Bernd »

Super Reisebericht, Done! :up2:

Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, wo am Wochenende, jugoslawische Gastarbeiter (Serben, Kroaten, Bosnier usw.) von Stuttgart zum Bürgerkrieg mit dem Bus gefahren sind, um zu dort kämpfen. Sonntag Abend wieder zurück und montags wieder in der Fabrik. Üble Zeiten :down2: .
In Sarajevo hatte VW die Fertigung des Golfs als Pickup (Caddy?). Die Fabrik wurde in Schutt und Asche gelegt.

Ganz schön bewegend, wenn man daran zurück denkt.

Gruß
Bernd

PS: zu den 2-Liter Bierfalschen. Die kann man anscheinend ganz gut als Reservebenzinkanister benutzen. An meinem Urlaubsort in Istrien tun das etliche Bootsbesitzer mit den kleinen Außenbordern. Der Kunststoff scheint zu halten.
Nur halt nicht verwechseln :prost2:
C125A Super Cub, EZ 2020
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Pingelfred

Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

Beitrag von Pingelfred »

Hallo Done,

selten so lange und intensiv einen Reisebericht gelesen. Mit eigenen Erfahrungen und Erlebnissen der beschriebenen Zeiträume verglichen. Sehr bewegend.
Danke Done.

Gruß Frank

Tranberg
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Re: Vier Tage im Juli 2015 Zweiter Tag Vukovar Kroatien "you did only see the visible things"

Beitrag von Tranberg »

Sehr spannend, und wieder etwas gelernt. Donauschwaben z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Donauschwaben
Ich bin Däne und wohne in Dänemark

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