Auf einen Espresso an den Iseosee

momoinno
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Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Wenn einen die Freunde im Stich lassen muss die Familie her halten...so war das schon immer! Und damit liefert sich quasi von selbst auch endlich der für jedermann nachvollziehbare Grund wieso ich die Monate zuvor 3 Suzuki Adressen „an Land gezogen“ habe. Entsprechend werden im Spätjahr 2018 meine beiden Brüder jeweils mit einem dieser tapferen Zweiräder ausgestattet, damit sie sich an das Fahrverhalten und die Schaltung gewöhnen können. Die anfängliche Skepsis legt sich schnell und spätestens nach einer kleinen Tagestour in die nahen herbstlichen Vogesen, sind alle „best friends“ mit den Kleinen, da sie dort final auch ihre Fähigkeiten abseits befestigter Straßen beweisen. Im Vorfeld werden noch die abgefahrenen Reifen getauscht, der Ölwechsel durchgeführt und sonstige Kleinigkeiten erledigt, damit es im März 2019 losgehen kann. Der Plan ist dieses Mal die zeitraubende Schweiz zu umfahren und stattdessen über Österreich nach Südtirol vorzudringen…allerdings ohne konkreten Plan, der ergibt sich….einzige Vorgabe: Wir haben 3 Tage Zeit. Da die letzten Familienausflüge zu Fuß stets mit Übernachtungen unter freiem Himmel verbunden waren, wollen wir dieser Tradition treu bleiben und werden lediglich dicke Schlafsäcke und eine Zeltplane mitnehmen, neben diversen Kochutensilien um auch nicht zu verhungern….man weiss ja nicht ob es in Italien zu der Jahreszeit außerhalb der Skigebiete etwas zu essen gibt.

Am 2. März starten wir früh morgens um 5 Uhr im Schwarzwald, fahren auf deutscher Seite am Bodensee entlang um gegen 8 Uhr bei Lindau so langsam in die Alpen einzutauchen. Die Windschattenduelle auf den Autobahnen und Landstraßen mit wenigen Metern Abstand lassen uns mit über 100km/h dahinfliegen….Waaaahnsinn! Trotz der dicken und mehrschichtigen Klamotten ist es an diesem trüben Samstag bei deutlich unter 5 Grad mehr als frisch und die Thermoskanne mit warmem Tee vermag die gefühlte Körpertemperatur immer nur kurzzeitig nach oben zu treiben.
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Mit dem Oberjoch erreichen wir den ersten namhaften Pass und dürfen die Grenze nach Österreich überqueren um im Tannheimer Tal die Alpenidylle zu genießen bevor der Fernpass mit seinem dauerhaften Verkehrsinfarkt – trotz Stausurfing - unser Zeitmanagement durcheinander bringt. Den Kühtaisattel sparen wir uns daher kurzerhand und überqueren den Alpenhauptkamm direkt via Brennerpass – natürlich auf der Staatsstraße und nicht auf der mautpflichtigen Autobahn. Die Motörchen dürfen endlich mal voll ausdrehen….95km/h im dritten Gang sind bestimmt eine Wohltat für den sonst langweilige Pendlerei gewohnten Motor und lassen die Öltemperatur in den gesunden Bereich wandern. Mit Überfahrt der österreichisch/italienischen Grenze sehen wir an diesem Tag auch erstmals die Sonne, was uns die Entscheidung erleichtert den 2.104m hohen Jaufenpass in Angriff zu nehmen und damit endgültig im Winterabenteuer angekommen sind. Die Auffahrt auf der schlechten Asphaltoberfläche vorbei an der Skistation mit ihrem digitalen Thermometer welches nur knapp über Null Grad anzeigt, fordert volle Konzentration insbesondere wenn die tief stehende Sonne immer wieder blendet. Der pfeifende Wind empfängt uns an der Passscharte mit gefühlt nochmals deutlich tieferen Temperaturen. Dennoch verweilen wir hier und gönnen uns einen letzten Schluck aus der Thermoskanne zusammen mit ein paar Müsliriegeln, kombiniert mit der herrlichen Aussicht auf die umliegenden Berge. Auch hier sind die Reaktionen der Autofahrer wie so oft herrlich, vom verständnislosen kopfschütteln bis hin zur überschwänglichen Begeisterung inkl Erinnerungsfoto.
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Zuletzt geändert von momoinno am So 27. Okt 2019, 17:02, insgesamt 1-mal geändert.

momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Es ist bereits nach 15 Uhr als wir uns wieder in Richtung Tal schwingen…der am Pass besprochene Plan lautet….über Meran die Schnellstraße nach Bozen und dort irgendwo eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. In Meran wird noch schnell getankt, damit wir wieder die vollen 170km Reichweite haben und uns bei unserer Nachtlagersuche nicht einbremsen lassen müssen. Auf der Schnellstraße nach Bozen durchforste ich in meinem Kopf die Landkarte und entscheide dass wir in Richtung Mendelpass fahren werden um auf dem Weg dorthin auf der Hochfläche rund um Kaltern unser Nachtlager aufschlagen werden. Soweit hört sich der Plan gut an und aus meinen Erinnerungen meine ich dort so ziemlich an der Ecke abbiegen zu können um nach kurzer Zeit in einem einsamen Sackweg einen Schlafplatz zu finden. Leider zieht sich die Suche sehr….wir fahren die ersten Kehren des Mendelpasses hoch in der Hoffnung dort einen Platz mit schöner Aussicht zu finden – Jahre zuvor hatten wir mit den Motorrädern direkt an der Abbruchkante am Penegal übernachtet und waren bei einem herrlichem Sonnenaufgang über die Dolomiten aufgewacht. Da die Auffahrt zum Penegal im Winter jedoch nicht frei gehalten wird und die Schneehöhe ein Durchkommen nicht ermöglicht, bleiben wir im schneefreien Tal. Nach einigen erfolglosen Versuchen finden wir schließlich mitten in den Weinreben bei Kaltern einen Geräteschuppen, der uns alles bietet was wir brauchen => eine ebene Liegefläche, eine kleine Überdachung und zu allem Überfluss noch eine klappbare Bank-/Tischkombination, so dass wir das Abendessen sogar am Tisch verbringen dürfen. Mein „kleiner“ Bruder ist wie immer für die Verpflegung zuständig und zaubert aus dem großen Topcase neben einem ausgewachsenen Gaskocher noch diverse Töpfe. So gibt es eine Spätzle/Pilzpfanne mit einer leckeren Flasche Rotwein, mit der wir den Tag ausklingen lassen. Der leise Vorwurf „wo ist denn das Fleisch“ verhallt vermeindlich ungehört.
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Der nächste Tag begrüßt uns mit relativ milden Temperaturen um 7 Grad und einem herrlichen Sonnenaufgang. Der Plan sieht vor, dass wir den Mendelpass überqueren und uns anschließend so weit wir kommen nach Süden durchschlagen, möglichst immer abseits der viel befahrenen Hauptstraßen. Nach einer Tasse Tee packen wir zusammen und starten mit dem Mendelpass in den Tag. Die Motoren kommen direkt auf Temperatur wir werden kein einziges Mal auf der Auffahrt überholt…entweder weil wir so unglaublich schnell sind oder 7 Uhr für den „gemeinen“ Italiener einfach zu früh ist. Die Aussicht ins Etschtal ist immer wieder atemberaubend und die Dolomitengipfel blenden uns mit ihrer weissen Pracht….oder evtl auch die Sonne. Nach 1 ½ Stunden flotter Kurvenhatz halten wir in Spormaggiore auf ein italienisches Frühstück => Espresso und Cornetto. Die Bar ist schon um diese Uhrzeit sehr gut geheizt und wir genießen die Wärme ausgiebig…..fast könnten wir schonwieder einschlafen….aber wir haben uns mittlerweile vorgenommen, dass wir auf jeden Fall den Lago Iseo erreichen wollen und fahren daher zeitig weiter. Über dem Lago di Molveno liegt noch etwas Nebel während wir auf einer Wiese die dünne Eisschicht mit Donuts zum Schmelzen bringen wollen…es funktioniert nicht und bevor die zwischenzeitlich vorbei gefahrenen Carabiniere auf dumme Gedanken kommen und umdrehen fahren wir lieber weiter. Über Tione di Trento fahren wir nach Storo wo gerade Fasnacht / Karneval gefeiert wird. Das ganze Dorf ist verkleidet und auf den Beinen….wir nutzen die Gelegenheit und pausieren bei mittlerweile fast 20 Grad in einer Pizzeria zu mittag. Genau so soll es sein und es fühlt sich perfekt an....es ist perfekt!
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Da wir zeitlich gut unterwegs sind reift hier der Gedanke, dass wir uns die Schotterpässe der Region anschauen könnten…den Passo del Spina habe ich noch in guter Erinnerung und halte ihn für die Cubs für sehr geeignet. Also fahren wir nach Anfo und biegen dort ab um die ettlichen Sepentinen aufwärts zu fahren. Auf halber Höhe lässt uns die geschlossene Schranke mit einem weiss/roten Schild (italienisch für herzlich willkommen) wissen, dass wir als Autofahrer an dieser Stelle umkehren sollten, als Zweiradfahrer jedoch durch dürfen. Die Kehren sind ab diesem Punkt nichtmehr geräumt und die Auffahrt wird spannender. Wenige hundert Meter später an einem kurzen Anstieg kommen erstmals unsere Schneeketten zum Einsatz, da ein Weiterkommen sonst nichtmehr möglich wäre. Aber auch diese bringen nur wenig Besserung und die Spur will gut gewählt sein um nicht in einer Schneewehe hängen zu bleiben. So kämpfen wir uns Meter um Meter weiter bis der mittlerweile geschotterte Weg (aus meiner Erinnerung, es ist alles voll Schnee) in den Schatten des nahen Berges führt. Nurnoch mit Mühe und gemeinsamem Schieben und Zerren schaffen wir es die Addressen durch den immer höher werdenden Schnee zu bewegen...so werden wir nie ankommen….der Höhenweg geht so über mehrere Kilometer. Also treten wir nach kurzer Beratung den Rückzug an und werden versuchen über den Passo Croce Domini entweder via Passo Maniva oder direkt über das Caffaro-Tal auf „die andere Seite“ zu kommen. Die Passschilder lassen jedoch wenig Gutes hoffen, sowohl Maniva, also auch Croce Domini sollen gesperrt sein!??? ….kann nicht sein….es ist doch warm. Wir fahren einige Kilometer taleinwärts, befragen diverse Passanten um uns final vom Postboten überzeugen zu lassen, dass definitiv kein Durchkommen ist weil die Straßen nicht geräumt sind und eher mehr als weniger Schnee wie auf dem Passo Spina liegen wird.
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Es ist bereits 15.30 Uhr als wir uns überlegen wie wir es noch schaffen können an den Iseosee zu kommen….die einzige Alternative ist so lange nach Süden zu fahren bis wir in Höhe von Vestone die hoffentlich freie Straße über Lodrino nutzen können. Bevor es vor lauter Diskussion zu spät wird, fahren wir einfach los. Unterwegs halten wir noch kurz in einem Conad-Supermarkt um das Abendessen einzukaufen….ein Dutzend Bratwürste, ein Baguette und eine Flasche Wein….yammi! Der Weg zum Iseo ist herrlich…es scheint nach wie vor die Sonne und die Temperaturen sind erträglich. Immer wieder biegen wir in vielversprechende Seitensträßchen ab um mögliche Übernachtungsplätze zu sichten. Kurz vor 17 Uhr biegen wir nach kurzem Palaver mit einigen Einheimischen, die uns versichern dass es in der ganzen Umgebung keine Übernachtungsmöglichkeit gibt, auf einen steilen Waldweg ab, gerade so breit dass ein Fiat-Panda ihn befahren könnte, jedoch so steil und mit so vielen Schwellen, dass selbst der 4x4 zu kämpfen hätte. Die 3 Kehren erklimmen wir gekonnt bis der Weg auf einer kleinen Kehrfläche endet….hier soll auch der Tag enden….die mehr oder weniger ebene Liegefläche von 2x3 mtr sollte gerade so reichen. Da wir uns auf knapp 1000 mtr Höhe befinden, werden wir uns ohnehin eng zusammen kuscheln. Die Moppeds stellen wir so auf dass sie uns zum Abspannen der Plane dienen und uns gegen mögliche nächtliche Angreifer schützen können….in Italien soll es ja Bären und allerlei sonstige Raubtiere haben. Mit Bratwürsten, einer Flasche Wein und einem herrlichen Blick auf den Iseosee mit der Monte Isola genießen wir den Moment bevor wir in die Schlafsäcke kriechen.
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Der Morgen ist kühl….sehr kühl. Schnell packen wir zusammen…es ist noch dämmrig als wir um 5.30 Uhr losfahren. Bis nach Hause sind es deutlich über 500km und das auch noch durch die Schweiz, ohne Autobahn. Recht zügig rollen wir die ersten 70km nach Edolo ab um dort in einer Tankstellen-Bar ein kurzes Frühstück einzunehmen. Trotz der langen Heimfahrt juckt es uns wieder und wir würden gerne den Passo di Guspessa traversieren…bis auf 1.800mtr soll es hoch gehen. Ausgehend vom Vortag wird der Schnee zu hoch sein aber wir hoffen dass der westseitig vom Berghang verlaufende Weg genug Sonne abbekommen hat und der Schnee nicht zu hoch ist. Die Auffahrt ist nach kurzer Sichtung des Navis schnell in Galleno gefunden. Die Straße schraubt sich schnell den steilen Hang Kehre um Kehre empor und gewinnt zusehends an Höhe. Hier auf der nach Süden geneigten Hangseite liegt kein Schnee….gegenüber am Nordhang jedoch fast bis ins Tal. Die Straße führt nachdem sie annähernd die Höhe erreicht hat durch ein Waldstück; der Schatten der Bäume bedingt dass nun auch hier Schnee liegt….plattgefahren von bereits durchgefahrenen Autos….weiter oben sind Ferienhäuser bzw Almen. Die ersten Schwierigkeiten kommen als die Straße einen leichten Anstieg vollführt, die Schneeketten legen wir an als die Spuren nichtmehr so prägnant sind. Auf einer Freifläche sehen wir den weiteren Wegverlauf, zuerst leicht abschüssig, anschließend mit einer weiteren Kehre den Berghang entlang nochmals deutlich ansteigen. Selbst die abschüssige Passage schaffen wir durch den 25cm hohen Schnee nur mit äußerster Mühe….also viel Schwung und diversen Anläufen. Der Krisenstab tagt….wir laufen den Weg 200 mtr entlang um den weiteren Verlauf zu sichten und beschließen erneut den Rückzug anzutreten, wohlwissend um eine mögliche Alternative. Wenige Kilometer weiter quert der Passo di San Cristina bei lediglich 1.400 mtr das Bergmassiv; wir erhoffen hier rüber zu kommen. Der Weg durch’s Tal wäre nur wenige Kilometer länger und mit Sicherheit deutlich schneller…aber wer will das schon!?
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Auf halber Höhe den Pass wieder hinunter sehen wir einen Waldweg am Hang entlang nach Westen führen….lt. Navi müssten wir auf gleicher Höhe bleibend nach circa 8km auf die Auffahrt zum Passo di San Cristina treffen. Die Befahrung der Forststraße ist recht eindeutig als unzulässig markiert, jedoch nur für Autos und Motorräder. Da in Italien die Befahrung der Autobahnen erst ab 150ccm zulässig ist, gehen wir davon aus, dass unsere Moppeten entsprechend der Fahrradkategorie zugeordnet werden und eine Befahrung des Forstweges daher zulässig ist. Die einzige Schwierigkeit der ersten 4km liegt lediglich im Überfahren der quer verlaufenden Abwasserrinnen, was das Fahrwerk der Adressen inkl der Beladung regelmäßig an die Grenzen bringt. Eine folgende Steilauffahrt mit grobem Schotter und Schneeresten verlangt schon deutlich kundigere Hand….eine Kombination aus viel Schwung, erheblicher Schmerzfreiheit was die Materialbelastung betrifft sowie massiver Beinunterstützung bzw Schiebehilfe der Mitfahrer löst das Problem. Vorbei an momentan unbewohnten Almen geht es auf gleichbleibender Höhe mal mehr oder weniger schwierig. Kurz bevor der Forstweg wieder auf öffentlichen Verkehrsraum trifft steht noch ein vereister Aufschwung bevor. Selbst im Stand schlittern wir immer wieder zurück. Auch hier hilft nur viel Schwung, die Füße als Stabilisatoren ausgefahren, einer ziehend, einer schiebend als Unterstützung um die Passage zu meistern. Wir sind völlig außer Atem, brauchen erstmal eine Pause….körperliche Schwerstarbeit und diverse Schichten Kleidung passen einfach nicht zusammen. Endlich sind wir wieder auf Asphalt….so schnell können sich die Prioritäten ändern. Wir cruisen die letzten 2km den Pass hinauf und finden schnell die Abfahrt ins Tal….und wieder so ein weiss/rotes Schild…was das immer soll. Wir passieren und treffen 2km weiter auf den Grund. Die Straße ist nicht geräumt, der Schnee liegt gute 40cm hoch im Schatten der Bäume. Diverse Autos scheinen jedoch schon passiert zu haben, was die Reifenspuren verraten. Auch Googlemaps sagt, dass die Straße ab hier nurnoch abschüssig verläuft….wir versuchen es. Die ersten 100mtr auf der geschlossenen und verspurten Schneedecke sind herausfordernd. Immer wieder bricht das Vorderrad aus und will woanders hin als wir es wollen. Die ausgefahrenen Stabilisatoren verhindern, dass wir uns sofort lang machen…das ein oder andere Mal geschieht es aber dennoch. Der Schnee ist weich und die Satteltaschen fangen das Meiste ab. Nach 1km wird die Straße deutlich abschüssig und der Schnee weniger…das ist gut! Weniger gut ist, dass sich anstatt des Schnees eine feine Eisschicht auf den Teer gelegt hat, die jegliche Korrektur der Fahrtrichtung unmöglich macht. So schlittern wir mehr oder weniger kontrolliert den Hang hinab, manchmal mit den Reifen auf Eis, manchmal mit den Seitentaschen auf Eis. Nach weiteren 2km passieren wir ein Dorf, von wo an die Straße deutlich besser geräumt ist und wir wieder Geschwindigkeiten jenseits der 20km/h erreichen.
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momoinno
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von momoinno »

Um 13 Uhr kommen wir in Tirano, am Fuße des Berninapasses an – um diese Zeit sollten wir eigentlich schon durch Chur fahren um halbwegs pünktlich zuhause zu sein. Tanken werden wir erst in Sankt Moritz, daher fahren wir ohne Zwischenstopp weiter. Wie schon zwei Jahre zuvor ist die Straße im Passbereich mit vereinzelten Schneeresten gespickt, die volle Konzentration abfordern. Das obligatorische Foto am Passschild des Bernina machen wir selbstverständlich trotz der vorangeschrittenen Zeit. In Sankt Moritz überlegen wir kurz ob wir einen Ausflug auf die Eisbahn machen, verwerfen den Gedanken beim Tanken und dem Blick auf die Uhr jedoch sofort wieder. Auch das Vorfahren vor dem Hotel Kempinski halten wir uns für eine spätere Tour auf. Der Julierpass ist trotz seiner beachtlichen Höher von 2.284mtr im Winter eine sichere Bank….die Straße ist breit und das Fahren macht Spaß! So düsen wir nach Tiefencastel um anschließend über Lenzerheide nach Chur zu fahren. Auf der Passhöhe schlägt uns einer kalter Wind und dunkle Wolken entgegen. In Churwalden halten wir an einer Tankstelle und schlupfen in unsere Regenkombis um dem Schneetreiben etwas entgegen zu setzen….leichte Panik macht sich breit, da die Straße gaaanz langsam weiss wird und auch das Visier ständig weiss bepudert ist. Erst kurz vor Chur weicht der Schnee und geht in Regen über….wie schön! Bis an den Bodensee werden wir immer wieder von leichten Regenschauern verfolgt…es ist weit nach 17.30 Uhr als wir die deutsche Grenze bei Lindau passieren; hier haben wir zum Glück wieder etwas Sonnenuntergang, dafür jedoch ziemlich heftigen Wind der ausgerechnet ein paar Bäume entwurzelt und so eine Vollsperrung der Straße verursacht….der ganze Verkehr wird umgeleitet. Just in dem Moment als wir die Straßensperre erreichen wird diese wieder frei gegeben und wir fahren direkt hinter der Polizei im Korso mit gelben Warnwesten den eigentlichen Weg…es läuft. Kurz bevor wir die Autobahn bei Villingen-Schwenningen verlassen zieht erneut heftiger Wind auf…es ist bereits 21 Uhr, dunkel und es beginnt stark zu regnen. Die letzten 70km über Bundesstraßen sind kein Vergnügen…der Regen ist so stark dass man kaum etwas sieht, das Visier ist von innen angelaufen und die Kälte sitzt in den Gliedern…irgendwo in Höhe der Sitzkuhle dringt kaltes Wasser ein. Aber es hilft nichts…wir müssen durchhalten, fahren und fahren….am nächsten Tag gestehen wir uns ein, dass es sehr gefährlich war….oftmals waren wir für gute 100mtr im Blindflug unterwegs, geblendet vom Gegenverkehr. Und dennoch…es war wie es sein sollte…3 Tage, 72 Stunden und wir waren ganz weit weg. Körperlich und noch mehr geistig. Der Körper ist geschunden aber es hat Spaß gemacht. Unsere Frauen verdrehen die Augen wenn wir das erzählen, können den Zusammenhang nicht herstellen. Aber nächstes Mal vielleicht doch im Sommer…
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Trabbelju
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von Trabbelju »

3 Brüder.
Wehe wenn sie losgelassen, einer wilder als der andere.
Toller Bericht, Grenz-Erfahrung der anderen Art.
Danke, viel Spaß bei der nächsten Tour.

Cub-Fahrer sind anders.
Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine
Helmut Schmidt, 23.12.1918 - 10.11.2015

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thrifter
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von thrifter »

RESPEKT!

LGR
...Honda CUB...Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation...

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Palü
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Citroen Berlingo,
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von Palü »

hermanos locos :up2: :up2: :up2:

ihr verrückten Hunde, was für eine Mördertour,
ihr habt Euch und die Suzi´s ordentlich geschunden.
Respekt :up2:
toller Bericht und tolle Fotos
.... vielleicht trifft man sich ja mal im Juni in St. Moritz oder in Livigno

Gruß aus Nordbaden
Paul
Einigkeit und Recht auf Freizeit - Cubisten aller Länder vereinigt euch :up2:

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Himbeer-Toni
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von Himbeer-Toni »

Bin total beeindruckt, toll, und Danke für den Bericht.
Einfach, robust, zuverlässig, wirtschaftlich – das sind zusammengefasst die Eigenschaften der Super Cub C125A

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Bernd
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Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von Bernd »

Klasse! :superfreu: Echt klasse :prost2:

Erzähl mal bitte was über eure Ausrüstung.
Welche Reifen?
Welches Navi?
Waren die drei Adressen im Paket oder einzeln gekauft?
Ging was kaputt?
Warum keine Innos oder Waves?

Gruß
Bernd
C125A Super Cub, EZ 2020
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bokus

Re: Auf einen Espresso an den Iseosee

Beitrag von bokus »

Solche Berichte sind Klasse !
:prost2: Danke .

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