Ich bin da etwas voreingenommen, da von klein auf Eisenbahnfan und somit schienengebundenen Fahrzeugen einfach näherstehend. Warum? Mein Vater war jahrelang im
Ulmer Betriebshof, also einem der kleinsten Straßenbahnbetriebe in Deutschland, beschäftigt und hat mir regelmäßig aus nächster Nähe die Qualitätsunterschiede von Bus und Bahn gezeigt. Ich bin also mit dem typischen Geräusch eiens
GT4 aufgewachsen.
Darüberhinaus wohne ich direkt an einer
Bahnlinie, die seit ich Laufen kann keinen Personenverkehr mehr hatte. Als Kinder rannten wir vom Tisch, von den Hausaufgaben, vom Spiel, von allem weg, wenn der nachmittägliche Güterzug oder gar mal ein
Sonderzug durchfuhr. Im Leben nie hätte ich geglaubt, dass ich es noch erleben könnte, dass dort wieder eine Reaktivierung stattfinden könnte. Die
Fahrkarte von der Eröffnungsfahrt am 15.12.2013 morgens um 5:47 hängt eingerahmt neben mir.
Ulm ist ein Paradebeispiel für jahrzehntelang misslungene Stadt- und Verkehrsplanung. Allerdings wurde, schwäbisch vorsichtig, außer mit der Notlösung Obus nach dem Krieg, ein Konzept nie völlig aufgegeben. So konnte eien Straßenbahnlinie überleben. 1999 gab es einen Bürgerentscheid in Ulm, bei dem es um die Umsetzung eines
fünf-Linien-Konzepts ging. Das Projekt war zu 80% aus anderen Töpfen finanziert. Die Ulmer hätten damals also zu jeder Mark vier weitere dazubekommen! Der Bürgerentscheid ging trotzdem in die Hose aufgrund verschiedener Mimositäten, Eifersüchteleien und Angst um den Verlust von gerne genutzten Schleichwegen, das Ganze natürlich auch zusätzlich geschürt von Gruppen, die teilweise nichts mit der Sache zu tun hatten, aber trotzdem einzelne involvierte Personen abwatschen wollten. Das war eine Provinzposse sondergleichen. Geplante gesamte Bauzeit damals 15 Jahre, wir wären also vor drei Jahren evtl schon fertig gewesen.
Die aktuelle Linie 2 ist von Anfang an mit viel Bürgerbeteiligung angegangen worden. Ein paar Details und Ideen konnte ich auch einbringen, aber meine große Vision einer Brücke über den Rangierbahnhof vom Mähringer Weg zum IKEA und weiter entlang der Schillerstraße zum Bahnhof oder gar zum Ehinger Tor war damals leider nicht umsetzbar. Inzwischen wärs schon möglich. Offenbar war ich meiner Zeit einfach zu weit voraus
Hier mein Plan von Freitag, 15. Januar 2010:
Die Alternative war die neu eröffnete Brücke, die geschickterweise über der Baustelle für den Albaufstiegstunnel der Neubaustrecke Ulm. Stuttgart errichtet werden musste. Ok, man fasst sich an den Kopf, aber irgendwie gings.
Auch die Linie 2 muss sich von allen möglichen Seiten vorwerfen lassen, dass die finanziell aus dem Ruder läuft. Das mag sein, man tut ihr damit aber unrecht. Diese Baustelle ist für viele Dienststellen ein gern und leicht genutzter Sündenbock für jahrelange Versäumnisse mit denen man gut und bequem leben konnte. So musste bspw auf dem Streckenast zum Kuhberg nahezu die gesamte Kanalisation von Grund auf erneuert werden. Ausgaben, die man sich seit dem Krieg gespart hatte und jetzt viler weitere Jahre sparen wird, werden auf die Straßenbahn geschoben. Auch wir hatten am Eselsberg nahezu wöchentlich mit irgendwelchen unerwarteten Kabelschäden und Arbeiten zu tun, weil einfach keine Dokumantation stimmte, bzw völlig fehlte. Das wurde inzwischen sehr gut aufgearbeitet. Man kann alles kaputt rechnen, aber insgesamt ist es ein Gewinn für die ganze Stadt.
oder wie es mal auf einem Plakat hieß: "A Stadt ohne Strampe isch a Kaff"