Die Idee von Nio ist nicht neu, an dem Konzept ist schon das Startup "Better Place" krachend gescheitert.
In diesem Beitrag kann man sich mal im Bewegtbild ansehen, wie die im verlinkten Artikel aus 2018 (seitdem hat man nichts mehr davon gehört) hochgelobte Idee in der Praxis funktionieren soll:
https://www.auto-motor-und-sport.de/tec ... f-minuten/
Als Laie stellt man sich das mit dem Tausch-Akku im Pkw total dufte vor und kann nicht verstehen, warum die dummen Ingenieure der Autobauer nicht selbst auf diese simple Idee kommen, dahinter muss gewiss eine Verschwörung der gesamten Automobilindustrie stecken. Es geht ja schließlich auch mit Pedelecs und Elektro-Scootern, dass man den Akku einfach rausnimmt und in der Wohnung auflädt.
Eine 60 kWh-Traktionsbatterie, das ist nicht besonders viel und eher für Kompaktklasse-Pkw mit rd. 300 km Reichweite geeignet, wiegt bereits rd. 450 Kilo. Die wechselt man nicht mal eben in ein paar Minuten am Straßenrand.
Rein technisch ist dafür bereits eine sehr aufwendig automatisierte Mechanik notwendig, die auf den Millimeter genau (Zentimeter sind viel zu grob) die Aufhängungspunkte ansteuert, öffnet, den Akku entnimmt, einen neuen aus dem Lager holt und wieder montiert. Im Lager müssten dann mindestens 5-10 Austausch-Batteriepacks vorgehalten werden. Technisch ist das absolut realisierbar, keine Frage, nur wer soll die Investition stemmen? Eine Wasserstofftankstelle ist billiger, dreivier Schnellladesäulen noch sehr viel mehr.
Hinzu kommen diverse Gründe, warum diese Tausch-Akku-Idee tatsächlich allenfalls Stammtisch-Niveau erreicht:
- Nicht in den Speichern selbst, sondern in deren Packaging, Balancing, Klimatisierung, Ansteuerung liegt sehr viel Know-How, das die Hersteller aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit anderen teilen möchten. Ein industrieweiter normierter Tauschakku käme der Forderung gleich, dass es künftig nur noch dreivier Norm-Verbrennermotoren gibt, die jeder Hersteller einbauen muss.
- Die Autoindustrie arbeitet heute mit Plattformstrategie. Diese Plattformen werden mit Milliardenaufwand entwickelt, um über die Stückzahlen skalierbare Einsparungen zu erzielen. Eine PSA-Plattform ist nicht mit einer Plattform des FCA-Konzerns kompatibel und wird es nie sein (außer PSA kauft FCA), wer das fordert, will zurück in die DDR mit den zwei Marken Wartburg und Trabant. Also werden die E-Auto-Plattformen schon alleine von den Aufhängungspunkten für die Traktionsbatterien nie zusammen passen, egal ob Kleinwagen oder Oberklasse.
- Sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion von Traktionsbatterien steckt bei jedem Hersteller wertvolles Know-How, das in einer funktionierenden Marktwirtschaft aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit Wettbewerbern geteilt wird. Ansonsten: Siehe oben. DDR. Staatlich gelenktes Totalversagen zum Nachteil der Bevölkerung. Heute nur noch in Teilen Berlins populär.
Gegen die Tausch-Akku-Idee spricht außerdem, dass die Traktionsbatterien immer günstiger und damit kapazitiv größer werden (muss man nicht mehr so oft laden), dass die Ladeelektronik immer leistungsfähiger wird (150 kW sind jetzt schon erreicht, es wird noch mehr), dass der fix installierte Akku 8-10 Jahre locker hält (acht Jahre garantieren viele Hersteller).
Mister L hat geschrieben: ↑Do 5. Sep 2019, 21:09
Ein Elektrofahrzeug hat nicht mehr so viel Zeug drin, der Elektromotor kostet fast nix im Vergleich zum Verbrenner mit immer aufwändigerer Abgasreinigung.
Die Wertschöpfung findet ja im wesentlichen beim Akku statt.
Daher ist es für die Autoindustrie auch nicht attraktiv, Leihakkusysteme auf den Markt zu werfen, sondern möglichst individuelle, teure, groß dimensionierte Akkus überall einzubauen.
Das ist, Verzeihung, blanker Unsinn. Am Akku verdienen die Hersteller momentan exakt nichts. Elektromaschinen für den Pkw-Antrieb sind hochkomplexe und technisch anspruchsvolle Konstruktionen, auch wenn manche Leute offensichtlich den simplen E-Motor ihrer Waschmaschine im Hinterkopf haben. Bei "Ein Elektrofahrzeug hat nicht mehr so viel Zeug drin" empfehle ich einen Blick in die Preisliste eines Mercedes EQC oder eines Audi e-Tron, die haben schon ein bisschen Zeug drin. Der E-Antrieb inklusive Leistungselektronik ist konzeptionell nicht sehr viel weniger anspruchsvoll als eine Hubkolbenmaschine. Er lässt sich nur, wenn mal entwickelt, kostengünstiger bauen. Mit der Aussage "kostfastnix" ist man da trotzdem eher auf der lustigen Seite unterwegs und offenbart Unwissen. Hier mal zwei willkürlich aus meinem Archiv gekramte Bilder des Mercedes E-Sprinter, der Motorenbau geht schon ein bisschen über das hinaus, was sich ein Stadtmensch im Angesicht eines chinesischen E-Rollers mit Radnabenmotor so über die Elektromobilität an sich überlegt:
Urheberrechtsangabe: Ich.
Man kann sich auch mal, nur als Beispiel, auf der
ZF-Seite herumtreiben und sein Wissen erweitern, wie Elektromobilität tatsächlich gebaut wird. Auch um seinen Horizont jenseits von vorgefertigten Schablonen zu ergänzen.
Und bevor der Vorwurf kommt, ich sei ein verklemmter veganer E-Auto-Freak: Das Lieblingsauto in meinem Besitz hat einen Dreiliter-Diesel und kommt von Toyota. Die Marke, die keine E-Autos auf dem Markt hat.